Zusammenfassung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Tempolimit

Zusammenfassung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Tempolimit

Es ist bekannt, dass ein Tempolimit kurzfristig und günstig umsetzbar wäre und dass es verschiedene positive Effekte mit sich bringt. Auf dieser Seite werden verschiedene Studien und Veröffentlichungen dazu zusammengefasst, um den aktuellen Wissensstand zu verdeutlichen. Hier finden Sie:

Effekte eines Tempolimits auf die CO2-Emissionen

Der Straßenverkehr ist für ca 20% unserer CO2-Emissionen verantwortlich und hat diese in den letzten Jahren kaum gesenkt. Da die Emissionen pro gefahrenem Kilometer bei hohen Geschwindigkeiten überproportional ansteigen, kann ein Tempolimit diese signifikant senken. Unter Berücksichtigung von zusätzlichen Routenwahl- und Nachfrageeffekten errechnet sich eine jährliche Reduktion von bis zu 6,7 Mio. t CO2 bei einem Tempolimit von 120 km/h (UBA, 2023).

Grundsätzliches:
Zusammenhang_Geschwindigkeit_Emissionen
  • Der Kraftstoffverbrauch und die Emissionen pro Kilometer steigen bei hohen Geschwindigkeiten überproportional an, da der Luftwiderstand mit der Geschwindigkeit quadratisch anwächst (siehe Grafik; UBA, 2020).
  • Der Straßenverkehr ist für einen großen Teil (ca 20%) unserer CO2-Emissionen verantwortlich und senkt diese kaum:  
    • „Von 1990 bis 1999 stiegen die Emissionen an, weil Einsparungen durch eine emissionsarme Fahrzeugtechnik durch den weiterhin steigenden Kraftstoffverbrauch überkompensiert wurde. Erst in den Folgejahren erfolgte eine Trendwende die bis etwa zum Jahr 2012 anhielt. In den Jahren 2013 bis 2017 stiegen die Emissionen jedoch mit der ⁠Fahrleistung⁠ wieder an. […] Im Jahr 2020 ist vor allem durch Sondereffekte ein starker Rückgang der Emissionen zu sehen, trotzdem war der Verkehrssektor noch für fast 20 Prozent der Treibhausgasemissionen Deutschlands verantwortlich.“ (UBA, 2021) 
    • „Der Emissionstrend [des Verkehrssektors] wird fast ausschließlich durch die Emissionen des Straßenverkehrs dominiert, welche um die 95 Prozent der Verkehrsemissionen ausmacht“ (UBA, 2021).
Studie „Flüssiger Verkehr für Klimaschutz und Luftreinhaltung“ (UBA, 2023) 
  • Kernergebnis: Die CO2-Emissionen nehmen mit einem Tempolimit von 120 km/h um ca. 4,2% ab – das entspricht etwa ein Rückgang von 6,7 Mio. t CO2 pro Jahr.
  • Methoden & (nicht) berücksichtigte Effekte: 
    • Es wurden erstmals Routenwahleffekte einberechnet: Mit Tempolimits werden direktere Routen gewählt (ausgenommen schwere Nutzfahrzeuge). 
    • Änderungen der Verkehrsmittelnachfrage durch geänderte Reisezeiten. 
    • Geschwindigkeitswechsel erzeugen zusätzliche Mehremissionen (z.B. 100 km/h auf freie Geschwindigkeit: Pro Pkw zusätzliche 172 g CO2). Der Aspekt konnte nicht genau einberechnet werden, aber bedeutet überschlägig eine zusätzliche Emissionsreduktion um 5 % bis 10 %.
Studie: „Klimaschutz und Tempolimit“ (UBA, 2020)
  • Kernergebnis: Bei einem generellen Tempolimit von 120 km/h werden mindestens 2,9 Millionen Tonnen CO2 eingespart, bei einem Tempolimit von 100 km/h sind es mindestens 6,2 Millionen Tonnen.
  • Datenquelle: Analyse der Bundesanstalt für Straßenwesen zur Geschwindigkeitsverteilung des Leichtverkehrs
  • Methode: Passenger Car and Heavy Duty Emission Modell (PHEM), um die benötigten Kraftstoff- und Emissionswerte zu modellieren. Dieses Modell wird in vielen weiteren Abschätzungen von Umweltwirkungen von verkehrsbezogenen Klimaschutzmaßnahmen verwendet – die Ergebnisse sind also vergleichbar.
  • Kernannahmen: 
    • Der Befolgungsgrad ist bei einem generellen Tempolimit genauso hoch, wie auf den heutigen begrenzten Teilabschnitten (61 %).
    • Die Geschwindigkeitsverteilungen auf Bundesautobahnen sind im Berechnungsjahr 2018 nahezu identisch zum Zeitraum 2010 bis 2014.
  • Das Tempolimit bringt tatsächlich höhere Treibhausgasminderungen – ein Teil konnte nicht einberechnet werden, da in Deutschland teilweise mit im Ausland getanktem Kraftstoff gefahren wird. Die entsprechenden Minderungen kommen jedoch den Ländern zu Gute, in denen die Kraftstoffe getankt wurden.

Kosten-Nutzen-Analyse eines Tempolimits

Das Fehlen eines Tempolimits ist eine Subvention für Schnellfahrer*innen: Die sozialen Kosten der Hochgeschwindigkeitsautomobilität (Luftverschmutzung, Klimawandel, Unfälle, staubedingte Verzögerungen oder Bau & Instandhaltung der Infrastruktur) sind erheblich und werden weder durch die von den Autofahrern gezahlten Steuern und Gebühren gedeckt noch durch individuelle Zeitgewinne ausgeglichen. Mit einem Tempolimit von 130 km/h würde ein Wohlfahrtsgewinn von mindestens 950 Millionen € erzielt. Rechnet man die aktuellsten Zahlen zur Emissionsreduktion ein und setzt den generationengerechten Kostensatz pro Tonne CO2 an, sind es bei einem Tempolimit von 120 km/h sogar 7404,64 Millionen €.

Studie „The economic cost of a 130 kph speed limit in Germany “ (Gössling et al, 2023) 
  • Kernergebnis: Mit einem Tempolimit von 130 km/h würde ein Wohlfahrtsgewinn von mindestens 950 Millionen € erzielt. Mit Daten von 2021 oder 2022 würden sich wahrscheinlich deutlich höhere Wohlfahrtsgewinne ergeben, da 2021 doppelt so viel Zeit in Staus verbracht wurde wie 2020 und die Spritkosten deutlich gestiegen sind.
  • Nicht miteinbezogene Aspekte (aufgrund schwerer Quantifizierbarkeit): 
    • Die Freude eines Teils der Autofahrer*innen am Schnellfahren, sowie der daraus resultierende Stress für andere Verkehrsteilnehmer*innen
    • Negative Gesundheitsfolgen aufgrund von höherer Lärmbelastung bei höheren Geschwindigkeiten 
  • Bewertung der Zeitverluste: 
    • Zusammensetzung der Fahrten: Arbeit, Bildung & Wirtschaft (39%), Freizeit und Urlaub (38%), und Sonstiges (33%).  
    • Arbeitsbedingte Reisezeit: durchschnittlicher Bruttostundenlohn (28,77€ in 2020); Persönliche Reisezeit: 70% des geltenden Nettolohns (Obergrenze)
  • Beitrag der Reduktion von Staus: 
    • Annahme: 10 % der Staus sind bei konstanteren und niedrigeren Geschwindigkeiten vermeidbar (Studien in Deutschland zeigen, dass 10-20% aller Staus mit angemessenem Fahrverhalten vermeidbar wären). Von diesen werden 20 % der Staus durch Geschwindigkeiten von über 130 km/h verursacht. Insgesamt gehen Staus also um 2% zurück.  
  • Bewertung der CO2-Emissionen:  
    • Für Deutschland gibt das Umweltbundesamt Kosten in Höhe von 195 €/t CO2 und 680 €/t CO2 an, wobei der erste Wert die Zukunft diskontiert und der zweite die Kosten für heutige und künftige Generationen gleichermaßen berücksichtigt. Angesichts der zunehmenden Belege für die Schädigung der Lebensgrundlagen heutiger und künftiger Generationen ist es offensichtlich, dass der höhere Wert der geeignetere ist. Um jedoch im Einklang mit anderen Schätzungen zu bleiben, wird bei der Berechnung in diesem Papier der niedrigere Wert von 195€/t CO2 verwendet. 
  • Bewertung der Reduktion von Verletzungskosten & Sachschäden 
    • 66 % der tödlichen Unfälle ereignen sich auf Autobahnabschnitten ohne Geschwindigkeitsbegrenzung; hohe Geschwindigkeiten scheinen für 10,4 % der Todesfälle verantwortlich zu sein 
    • Der größte Teil ist ein privater Nutzen, da die Kosten von den Versicherungen gedeckt werden.
    • Das durch Todesfälle und schwere Verletzungen entstehende Leid wurde nicht beziffert.
ParameterKostenGewinne
Private/wirtschaftliche Gewinne/Kosten
Zeitverluste1052,6 Mio €
Spriteinsparungen765,7 Mio €
Zeitgewinne durch vermiedene Staus0,1 Mio €
Soziale Gewinne/Kosten
Eingesparte CO2-Emissionen292,5 Mio €
Lieferkette (Infrastruktur & Energie)284,8 Mio €
Verkehrsinfrastruktur (Instandhaltung & Neubau)247,6 Mio €
Luftverschmutzung (Ausstoß und Reifenabrieb)62,4 Mio €
Sprit-Subventionen37,6 Mio €
Landnutzung und Fragmentierung30,1 Mio €
Unfallkosten (Personen- und Sachschäden)28,3 Mio €
Summe1052,6 Mio €2003,7 Mio €
Berechnung unter Einbezug aktueller Daten auf Basis der oben vorgestellten Studie (KiB, 2023)
  • Kernergebnis: Bei Aktualisierung zweier Grundannahmen der oben vorgestellten Studie ergeben sich mit Einführung eines 120-km/h-Tempolimits Wohlfahrtsgewinne in Höhe von 7404,64 Millionen € (statt 950 Millionen € bei einem Tempolimit von 130 km/h).

Die Berechnung passt folgende Grundannahmen an:

  • Die aktuellste Studie in Sachen Emissionseinsparung (UBA, 2023) errechnet bei Tempo 120 Einsparungen i.H.v. 6,7 Mt CO2, also eine höhere Zahl, als die in der Studie zugrunde gelegte. Die mit einem Tempolimit von 120 statt 130 einhergehenden höheren Zeitverluste sind einkalkuliert.
  • Der angenommene Kostensatz von 195 €/t CO2 impliziert, dass die Wohlfahrt der heute lebenden Generationen höher gewichtet wird als die der künftigen. Angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2021, das klar gemacht hat, dass die ungeborenen Generationen unter den gleichen Schutzbereich des Grundgesetz fallen wie die heute lebenden, ist es im Sinne der Generationengerechtigkeit geboten, den Kostensatz von 680 €/t CO2 zu wählen. Dieser gewichtet die Wohlfahrt der heutigen und künftigen Generationen gleich (vgl. Methodenkonvention 3.1. S. 8).

Die Autoren der Studie „The economic cost of a 130 kph speed limit in Germany “ (Gössling et al, 2023) schreiben selbst, dass sie bei den Annahmen extrem konservativ vorgegangen sind und die 950 Millionen € als untere Grenze zu verstehen sind. 

Einfluss auf die Verkehrssicherheit

Es ist klar, dass bei niedrigeren Geschwindigkeiten und geringeren Geschwindigkeitsunterschieden weniger und weniger heftige Unfälle entstehen. Die Einschätzungen, wie hoch dieser Rückgang ist, reichen von 10% – 40%. In diesem Abschnitt sind entsprechende Berechnungen, Fallbeispiele, sowie verschiedene Gründe für die erhöhte Sicherheit zu finden.

Einfluss auf die Zahl der Unfälle, Verletzten und Getöteten
  • Da Todesfälle nur gut 1% aller Unfallopfer auf Autobahnen ausmachen, wäre ein alleiniger Fokus auf diese Zahl irreführend. Es sollten auch Unfälle mit schweren Verletzten betrachtet werden (Bauernschuster & Traxler, 2021).
  • Bei fast der Hälfte aller Verkehrstoten auf deutschen Autobahnen war die Unfallursache eine nicht angepasste Geschwindigkeit (Statistisches Bundesamt 2020c in Bauernschuster & Traxler, 2021)
  • Verschiedene Abschätzungen der Reduktion der Unfallzahlen
    • Metz-Peeters (2022) bei Tempolimit 120:
      • Kein statistisch signifikanter Effekt auf die Zahl der leichten Fälle
      • Rückgang der tödlichen Unfälle um 22% – 26%
      • Rückgang der schweren Unfälle um 20% – 23%
    • Bauernschuster & Traxler (2021) bei Tempolimit 130:
      • Rückgang der Getöteten um 15% – 47%
      • Rückgang der Schwerverletzen um 11% – 38%
      • Rückgang der Leichtverletzten um 5% – 27%
      • Die Absolute Anzahl der vermiedenen Schwer- und Leichtverletzten ist hingegen ein Vielfaches größer als die absolute Anzahl der vermiedenen Todesfälle.
    • Groß angelegtes Feldexperiment zum Vergleich von Tempolimit oder Richtgeschwindigkeit von 130 in Deutschland vor 45 Jahren (Bauernschuster & Traxler, 2021):
      • Rückgang der Unfälle mit Verletzten um 10%
      • Rückgang der Zahl der Schwerverletzten & Getöteten um 20% (bei verschiedensten Bedingungen, Tageszeiten und Streckenverhältnissen)
      • Davon ausgehend leiten die Autoren theoretisch ab, dass ein Tempolimit von 100 km/h die Unfälle um 37% reduzieren würde.
    • Brandenburgische Autobahnen 2000 – 2006 (Scholz et al, 2007):
      • Die Zahl der Unfälle geht mit Tempolimit um 25 % zurück – besonders die Anzahl der schweren Unfälle ist rückläufig.
      • Bei der Anzahl der Verletzten ist mit einem Rückgang von 20% zu rechnen.
Einfluss auf die Höhe der Unfallkosten
  • Gössling et al (2023) leiten in ihrer Kosten-Nutzen-Analyse ab, dass die reduzierten Unfallkosten (Personen- und Sachschäden) sich auf 28,3 Mio € jährlich belaufen. Das durch Todesfälle und schwere Verletzungen entstehende Leid wurde dabei nicht quantifiziert.
  • Fallbeispiel Brandenburg in einem siebenjährigem Zeitraum (2000 – 2006) nach Einführung eines Tempoliimits von 130 km/h (Scholz et al, 2007):
    • Es entstanden 22,5 Mio. € weniger Unfallkosten pro Jahr.
    • Für die unbegrenzten Streckenabschnitte wurden Unfallkostenraten von 13€ je 1000 Fahrzeugkilometern auf vierspurigen bzw. 19€ je 1000 Fahrzeugkilometern auf sechsspurigen Strecken ermittelt. Mit Geschwindigkeitsbegrenzung sinken die Unfallkostenraten auf 10€ bzw. 14€ je 1000 Fahrzeugkilometern bei 130 km/h und auf 8€ bzw. 11€ je 1000 Fahrzeugkilometern bei 120 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die Autobahnen wurden für jeden Verkehrsteilnehmer sicherer.
Gründe für die mit einem Tempolimit erhöhte Verkehrssicherheit
  • Der Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit und Unfallgeschehen ist in der Verkehrswissenschaft gut untersucht. 1982 stellte der schwedische Forscher Nilsson das Power-Modell auf: Eine relative Erhöhung der Geschwindigkeit führt zu einem exponentiellen Anstieg des Unfallgeschehens (Nilsson, 1982). Eine Weiterentwicklung des Modells zeigt, dass gerade bei hohen Geschwindigkeiten eine Erhöhung der Geschwindigkeit zu deutlich drastischeren Folgen führt als bei niedrigeren Ausgangsgeschwindigkeiten. Das Modell wurde in umfangreichen Metaanalysen verifiziert (Elvik, 2012).
  • Eine der ersten Zusammenhänge, die man in der Fahrschule lernt, ist, dass der Anhalteweg mit steigender Geschwindigkeit überproportional ansteigt (siehe Grafik).
  • Mit einem Tempolimit sind sich die gefahrenen Geschwindigkeiten ähnlicher. Damit sinkt die Unfallgefahr, da es u.a. zu weniger heftigen Brems- und Beschleunigungsvorgängen (Bauernschuster & Traxler, 2021), sowie zu weniger unfallbehafteten Überholvorgängen (Box & Bayliss, 2012) kommt. Außerdem enden Unfälle bei geringeren Geschwindigkeitsunterschieden weniger heftig: Bei einem Heckaufprall können bereits bei Aufprallgeschwindigkeiten von 16 km/h Schleudertraumata auftreten, die zu langfristigen Beeinträchtigungen führen (Box & Bayliss, 2012).
  • Das Sichtfeld einer Fahrer*in nimmt mit zunehmender Geschwindigkeit ab. Bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h überspannt es 100°. Bei einer Geschwindigkeit von über 130 km/h sind es nur noch etwa 30°, was die Fähigkeit, potenzielle Gefahren einzuschätzen, erheblich einschränkt (Box & Bayliss, 2012).
  • Schnelles Fahren erfordert eine hohe Konzentration, die aber nur kurz gehalten werden kann und in Folge zu einer schnelleren Ermüdung führt (DVR, 2018). Der mit der Geschwindigkeit einhergehende kurzfristige Adrenalinkick verstärkt diesen Effekt (Ingenieur.de, 2023). Grundsätzlich ist es ratsam, bei Müdigkeit oder nachlassender Konzentration eine längere Pause einzulegen und auf sportliche Betätigung oder einen Powernap zu setzen (DGUV 2022). Eine seriöse Verkehrsorganisation wird niemals dazu aufrufen, bei Müdigkeit schneller zu fahren, um das Konzentrationslevel zu steigern.
  • Dass Autobahnen trotz ihrer höheren Geschwindigkeiten zu den sichersten Straßen gehören, ist im Allgemeinen auf ihre höheren Konstruktionsstandards und das Fehlen von Fußgänger*innen und Radfahrer*innen zurückzuführen (Box & Bayliss, 2012), sowie darauf, dass es keinen direkten Gegenverkehr gibt (Ingenieur.de, 2023).
  • Wenn man die Zahl der Getöteten und Schwerverletzten auf deutschen Autobahnen mit und ohne Tempolimit vergleicht, wird die Wirksamkeit des Tempolimits auf die Verkehrssicherheit sehr deutlich: Pro 1 Mrd Fahrzeug-Kilometer (Fzg-km) kommen 0,95 Menschen auf Abschnitten mit Tempolimit um. Ohne Tempolimit sind es 1,67. Dh. durch das fehlende Tempolimit steigt die Todesrate um 76% (Stotz, 2019)
  • Und das obwohl Tempolimits vor allem auf gefährlichen Streckenabschnitten gelten. Dies hat zur Konsequenz, dass der tatsächliche Effekt eines Tempolimits auf die Verkehrssicherheit unterschätzt wird (Bauernschuster & Traxler, 2021; hier eine entsprechende Erklärung des stellv. Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei im ersten Tempolimit-Symposium).
Fallbeispiele und Experimente
Unfallreduktion nach Einführung eines Tempolimits von 130 km/h in 2003 (Schönauer, 2023)
  • Dänemark hat 2004 das Tempolimit auf Autobahnen von 110 auf 130 km/h angehoben – gefolgt von einem deutlichen Anstieg der Unfallzahlen (Gössling et al, 2023).
  • Von 1981 bis 1986 wurden auf ausgewählten Teststraßen in Hessen Geschwindigkeitsbegrenzungen von 100 und 120 km/h eingeführt. Dies führte zu einem erheblichen Rückgang der Unfallraten und noch mehr der Unfallkosten. Die Zahl der schweren Unfälle ist also stärker zurückgegangen, als die der leichten (Metz-Peeters, 2022).
  • Auch in Niedersachsen wurden auf 54 Streckenkilometern Tempolimits eingeführt und ein erheblicher Rückgang in Unfallzahlen und Unfallkosten festgestellt, während diese auf Kontrollstrecken nur leicht zurückgingen (Metz-Peeters, 2022).
  • Ende 2002 wurde auf 124 km in Brandenburg ein Tempolimit von 130 km/h eingeführt. Die Unfallkosten sanken deswegen um 26,5%. Auch die Unfallzahlen sanken deutlich (Metz-Peeters, 2022):

Weitere Effekte und Aspekte eines Tempolimits

Ein Tempolimit bringt viele weitere Effekte mit sich – die Erkenntnisse dazu sind in den folgenden Panels zusammengefasst.

  • Neben CO2 stoßen Motoren weitere Schadstoffe aus: Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffe (HC), Stickstoffoxide (NOx) und Feinstaub. Außerdem entsteht Feinstaub durch Reifenabrieb.
  • Motoren arbeiten am effizientesten in einem mittleren Geschwindigkeitsbereich – bei hoher Geschwindigkeit nehmen die Emissionen überproportional zu (Bauernschuster & Traxler, 2021). Bei modernen Fahrzeugen sind die Emissionen zwar tendenziell stärker von der Beschleunigung abhängig, als von der Durchschnittsgeschwindigkeit (Box & Bayliss, 2012), da jedoch beides durch ein Tempolimit deutlich beeinflusst wird, werden die Emissionen signifikant reduziert.
  • Mit Einführung eines Tempolimits von 120 km/h gehen die Feinstaub-Emissionen mit -6,6% noch deutlicher zurück, als die CO2-Emissionen (UBA, 2022).
  • Die NOx-Emissionen sind bei hohen Motorbetriebstemperaturen am höchsten, die sich aus dem ständigen Fahren mit hoher Geschwindigkeit ergeben (Box & Bayliss, 2012). Das Umweltbundesamt (2022) berechnet, dass die NOx-Emissionen bei einem Tempolimit von 120 km/h um 9,6% zurückgehen.
  • Einfluss von Luftverschmutzung auf Gesundheit: 
    • Luftverschmutzung früh im Leben kann langfristige Effekte auf Arbeitsmarktbeteiligung und Löhne haben (Bauernschuster & Traxler, 2021).
    • Luftverschmutzung verkürzt die Lebenszeit (Bauernschuster & Traxler, 2021).
    • Luftverschmutzung hat unmittelbare negative Auswirkungen auf die Produktivität (Bauernschuster & Traxler, 2021). 
    • Es gibt Schätzungen, dass die negativen Effekte von Luftverschmutzung auf die Gesundheit von Erwachsenen, die durch das Fehlen eines Tempolimits entstehen, so groß sind, dass die entsprechenden gesundheitlichen Kosten kaum niedriger sind als die der tödlichen und nicht tödlichen Unfälle. (Bauernschuster & Traxler, 2021)
    • Kleinräumige geographische Raster-Daten des RWI Essen zeigen, dass in Deutschland über 14,9 Millionen Menschen in einer Distanz von unter zwei Kilometern zum nächsten Autobahnabschnitt ohne Tempolimit leben. Diese Werte weisen darauf hin, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung unmittelbar von einem Emissionsrückgang profitieren könnte (Bauernschuster & Traxler, 2021).
  • Genau wie bei der Luftverschmutzung sind die 14,9 Millionen Personen, die in unter zwei Kilometern Entfergung zum nächsten Autobahnabschnitt ohne Tempolimit leben (Bauernschuster & Traxler, 2021) von einer hohen Lärmbelastung betroffen. Verkehrslärm kann sowohl Lebensqualität, als auch die Gesundheit beeinflussen.
  • Der positive Effekt ist weniger stark als bei der Luftverschmutzung, da der Lärm erst unter 80 km/h deutlich zurückgeht und der besonders laute Schwerverkehr durch ein Tempolimit kaum beeinflusst ist (Bauernschuster & Traxler, 2021). Nichtsdestotrotz sind positive Effekte zu erwarten, da sich geringe Gewinne angesichts der hohen Zahl an betroffenen Personen summieren (Bauernschuster & Traxler, 2021), da besonders lärmintensive Brems- und Beschleunigungsvorgänge reduziert werden (Ingenieur.de, 2023) und da auch das Reifen-Fahrbahn-Geräusch mit der Geschwindigkeit stark abnimmt (Box & Bayliss, 2012).
  • U.a. aus diesem Grund setzen sich z.B. neun schwäbische Kommunen gemeinsam für ein Tempolimit auf dem benachbarten Autobahnabschnitt ein: https://www.augsburg.tv/mediathek/video/kommunen-fordern-erneut-tempolimit-auf-der-a8/ .

Geringere Sicherheitsabstände bei geringeren Geschwindigkeiten sorgen für eine allgemein höhere Fahrzeugkapazität auf einer Autobahn. Außerdem sorgen nicht nur die reduzierten Unfälle, sondern auch die Reduktion von Brems- und Überholvorgängen für weniger Phantomstaus.

  • Weniger Staus:
    • Messungen haben ergeben, dass die Staugefahr umso niedriger ist, je homogener ein Verkehrsstrom unterwegs ist. Es finden seltener Spurwechsel statt und es kommt nicht so oft zu Bremsvorgängen, wenn ein schnelles Fahrzeug auf eine langsam fahrende Kolonne auffährt. Diese führen immer wieder zu „Stau aus dem Nichts“ (Ingenieur.de, 2023).
    • Die Durchschnittsgeschwindigkeit kann am besten durch eine Verringerung der Staus erhöht werden, da Staus einen größeren Zeitverlust mit sich bringen, als die Reduktion der Höchstgeschwindigkeit (Box & Bayliss, 2012). Bei der Beschränkung eines zuvor unlimitierten Autobahnabschnitts auf 130 km/h wird ein Rückgang der mittleren Geschwindigkeit von lediglich 10 km/h erwartet, während die Geschwindigkeitsunterschiede (Scholz et al, 2007) und damit die Phantomstaus stärker abnehmen.
  • Höhere Kapazitäten bei geringeren Geschwindigkeiten:
    • Auf Autobahnen werden maximale Fahrzeugkapazitäten von etwa 2000 Fahrzeugen pro Fahrstreifen und Stunde bei Geschwindigkeiten um 70 km/h erreicht (Gössling et al., 2023).
    • In Brandenburg wurde bei Einführung eines Tempolimits von 120 km/h festgestellt, dass sich die Kapazität um 100 Fahrzeuge pro Stunde erhöht hat (Scholz et al, 2007).
  • Die durch die Zeitverluste entstehenden Kosten werden eindeutig durch positive volkswirtschaftliche Effekte wettgemacht (Gössling et al, 2023; siehe oben).
  • Die Berechnungen, wie hoch die Zeitverluste bei einem Tempolimit von 130 km/h wären, reichen von 50 Millionen (Gössling et al, 2023) bis 65 Millionen (Bauernschuster & Traxler, 2021) Fahrzeugstunden jährlich. Bei der höheren Zahl würde dies einem durchschnittlichen Zeitverlust von 15,6 Sekunden auf 10km entsprechen.
  • Der positive Zeiteffekt durch die Reduktion von Phantom- und unfallbedingten Staus muss dabei noch abgezogen werden. In Bauernschuster & Traxler (2021) wird dies auf 7 Millionen Fahrzeugstunden geschätzt, während Gössling et al (2023) von mindestens 5120 Stunden ausgehen.
  • Die Zeitverluste würden vor allem den „schnellen Leichtverkehr“ betreffen (39% des Leichtverkehrs, also 31% aller Kfz fahren ohne Tempolimit schneller als 130 km/h), während ein Großteil der Verkehrsteilnehmer*innen, inklusive des Schwerverkehrs, mehr vom Staurückgang profitieren würde (Bauernschuster & Traxler, 2021). 
  • Motoren können für niedrigere Geschwindigkeiten optimiert werden, wodurch der insgesamte Kraftstoffverbrauch und die Emissionen in der Lieferkette gesenkt werden können (Gössling et al, 2023).
  • Durch die längere Reisezeit bei geringeren Geschwindigkeiten werden alternative Verkehrsträger wie Züge wettbewerbsfähiger. Die Größe dieser Auswirkungen ist noch unzureichend erforscht – dennoch zeigt dies, dass die Auswirkungen eines Tempolimits unterschätzt werden, wenn man sich lediglich auf die direkten Emissionen konzentriert (Gössling et al, 2023).

Während hohe Geschwindigkeiten durch eine verstärkte Wirtschaftstätigkeit von wirtschaftlichem Nutzen sein kann, kann derselbe Prozess zu einer Zersiedelung der Landschaft und den damit verbundenen Nachteilen führen. Langfristig kann sich die Geschwindigkeitsregelung auf das Verkehrsaufkommen auf den Straßen auswirken. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung dazu beitragen kann, den Prozess der Zersiedelung umzukehren (Box & Bayliss, 2012).

  • 36% der Autofahrer*innen fahren gerne schnell. Mehr männliche Fahrer als weibliche gaben 2012 an, schnell zu fahren, ebenso wie jüngere Fahrer, Berufstätige, Personen mit höherem Einkommen, Alleinstehende, Personen aus städtischen Gebieten und Vielfahrer. Das Fahrverhalten männlicher Fahrer wird dabei wesentlich durch die Anwesenheit eines männlichen Beifahrers beeinflusst: Der Geschwindigkeitsunterschied abhängig vom Geschlecht der Beifahrer*in betrug ca 8 km/h (Box & Bayliss, 2012).
  • Für Personen, die gerne schnell fahren, stehen weiterhin Rennstrecken offen.
  • Nach Zahlen des Umweltministeriums haben Autos in Deutschland etwa 24 Milliarden Liter Benzin und etwa 18 Milliarden Liter Diesel verbraucht. Das Ministerium hat ausgerechnet, dass wir bei einem Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen 600 Millionen Liter Sprit einsparen, bei Tempo 100 km/h sind es sogar 1,7 Milliarden Sprit (Ingenieur.de, 2023).
  • Eine weitere Quelle errechnet Spriteinsparungen in Höhe von 766 Mio € pro Jahr (Schönauer, 2023). Auf jeden Fall müssen Autofahrer*innen seltener zur Tankstelle, wenn sie langsamer fahren, was einen Teil des Zeitverlusts wieder wett macht.

„Ein Tempolimit könnte der Autoindustrie sogar helfen, da es stärkere Anreize für die Weiterentwicklung autonomen Fahrens in Deutschland setzen würde. Wie auch Ingenieure deutscher Autobauer bestätigen, ist autonomes Fahren umso leichter umzusetzen, je niedriger die Geschwindig keit und deren Varianz sind. Ein „Image-Schaden“, der die Position deutscher Hersteller im Ausland schwächen wür de, erscheint – anders als im Fall des VW-Emissionsskandals (Bachmann et al. 2019) – dagegen wenig plausibel“ (Bauernschuster & Traxler, 2021, S. 99).

  • Eine Senkung des Tempolimits um 10 km/h führt im Schnitt zu einer Verringerung der Geschwindigkeit um 3 bis 4 km/h. Wenn jedoch keine Kontrollmaßnahmen eingeführt werden, beträgt die Reduktion lediglich 2,5 km/h (Box & Bayliss, 2012).
  • Die logische Grundlage der Regelung muss erklärt werden, und es sollten kontinuierlich Informationen verbreitet werden (Box & Bayliss, 2012).
  • Ein allgemeines Tempolimit 130 würde die Varianz der Geschwindigkeiten und damit, sowie durch weniger Brems- und Überholvorgänge entsprechende „Stressfaktoren“ deutlich reduzieren. (Bauernschuster & Traxler, 2021) .
  • Der Adrenalinkick, der mit schnellem Fahren einhergeht, sorgt für einige positive Effekte. Wir fühlen uns aufmerksamer und frischer. Allerdings lässt sich das nicht über längere Zeit aufrechterhalten – ganz im Gegenteil: nach so einer Adrenalinausschüttung ermüden wir umso schneller. Wer längere Strecken fährt, für den ist schnelles Fahren eher kontraproduktiv (Ingenieur.de, 2023; DVR, 2018). Grundsätzlich ist es ratsam, bei Müdigkeit oder nachlassender Konzentration eine längere Pause einzulegen und auf sportliche Betätigung oder einen Powernap zu setzen (DGUV, 2022). Eine Verkehrsorganisation wird niemals dazu aufrufen, bei Müdigkeit schneller zu fahren, um das Konzentrationslevel zu steigern.

FAQ

Auf dem Großteil der Autobahnen (70,4%) gilt kein Tempolimit.

Eigene Darstellung, basierend auf BAST (2017)

Nein. Deutschland liegt mit 30,2 tödlich Verunglückten pro 1000 km Autobahn eher im Mittelfeld. In folgenden Ländern ist die Zahl der Verkehrstoten pro 1000 km Autobahn im Vergleich zu Deutschland geringer (Statista, 2021): 

  • Griechenland (28,3) 
  • Niederlande (27,9)
  • UK (25,5)
  • Frankreich (23,3)
  • Spanien (21,2)
  • Dänemark (20,2)
  • Österreich (19,8) 
  • Schweiz (13,1) 
  • Schweden (11,3) 
  • Finnland (7,9) 
  • Irland (5,6) 

Auch wenn die gefahrene Geschwindigkeit den größten Einfluss auf die Verkehrssicherheit hat, gibt es weitere Einflussfaktoren (Elvik, 2012): 

  • Zustand der Verkehrsinfrastruktur 
  • Zustand der Kfz-Flotte 
  • Fahrverhalten der Fahrzeugführer*innen 
  • Befolgungsquote der Höchstgeschwindigkeit und anderer Verkehrsregeln 
  • Einhaltung der Sicherheitsabstände 
  • Drogen im Verkehr 
  • Kontrolldichte, Kontrolldruck 
  • Höhe der Strafen 
  • Witterungsbedingungen 

Um die Wirksamkeit eines Tempolimits zu quantifizieren, ist vor allem der Blick auf die deutschen Verunglückten-Statistiken zielführend. So kommen in Deutschland auf Streckenabschnitten mit Tempolimit pro Mrd. Fahrzeug-km 0,95 Menschen ums Leben. Auf Abschnitten ohne Tempolimit sind es 1,67. Die Todesrate liegt ohne Tempolimit also um 75,8% höher (Spiegel, 2019). Und das, obwohl Tempolimits vor allem an Gefahrenstellen mit ursprünglich höheren Unfallzahlen eingeführt wurden. 

Durch das fehlende generelle Tempolimit in Deutschland stehen autonome Fahrzeuge hierzulande vor besonderen Herausforderungen. Die großen Geschwindigkeitsunterschiede erschweren das sichere Ausscheren zum Überholen (Welt, 2018). 
Grundsätzlich wird die Soft- und Hardware für das autonome Fahren für den Weltmarkt entwickelt, auf dem, bis auf Deutschland, Tempolimits von 140 km/h oder weniger gelten. Die Einführung von autonomen Fahrzeugen in Deutschland könnte sich durch das fehlende Tempolimit verzögern (Businessinsider, 2019). Der aktuelle Autopilot von Tesla funktioniert beispielsweise nur bis zu einer Geschwindigkeit von 140 km/h. 

Auch für autonom gesteuerte Fahrzeuge gelten die physikalischen Gesetze: Der Bremsweg wächst im Quadrat zur Geschwindigkeit. Eine höhere Geschwindigkeit führt im Ernstfall zu einem deutlich längeren Bremsweg und unter Umständen zu einer höheren Kollisionsgeschwindigkeit mit einem entsprechend höheren Schädigungspotenzial. Ebenso ist es für den überproportional höheren Energieverbrauch, der bei hohen Geschwindigkeiten durch einen hohen Luftwiderstand erzeugt wird, unerheblich, ob das Fahrzeug von einem Menschen oder einer Maschine gesteuert wird. 

Von 48,848 Millionen zugelassenen Pkw in Deutschland sind aktuell 1,078 Millionen mit E-Antrieb unterwegs. Das entspricht einem Anteil von 2,21% (Stand April 2023; Kraftfahrt Bundesamt, 2023). Das heißt im Umkehrschluss, dass bei 97,79% der Flotte potenziell Einsparungen von fossilen Kraftstoffen möglich sind. 

Auch wenn das E-Auto lokal emissionsfrei unterwegs ist, verursacht es mit seinem Stromverbrauch natürlich indirekte Emissionen (Scope 2). 2022 stammte die Hälfte des Stroms aus fossilen Quellen (Energy Charts, 2023). Selbst in einer Welt mit 100% Erneuerbaren Energien bleibt Strom ein kostbares Gut. Jede vermiedene Kilowattstunde schont die Umwelt. 

In puncto Verkehrssicherheit ist es bei einer zunehmenden Elektrifizierung u.U. noch sinnvoller ein Tempolimit einzuführen. E-Fahrzeuge sind im Vergleich zu ihren Verbrenner-Pendants vor allem durch die Batterie erheblich schwerer. Das führt in der Regel zu längeren Bremswegen (Autozeitung, 2022). 

Die größten Energie- und Emissionseinsparungen durch ein Tempolimit werden in einem flüssigen Verkehrszustand erzielt. Genau in diesen flüssigen Zuständen sind dynamische Verkehrssteuerungen inaktiv. Sie sind in der Regel so ausgelegt, dass sie nur bei dichtem Verkehr bzw. hoher Frequentierung in den Verkehr eingreifen, um die Kapazität zu steigern und einen Stau zu verhindern. Die Effekte auf die CO2-Emissionen durch eine dynamische Verkehrssteuerung werden als vernachlässigbar eingeschätzt (UBA, 2023). 

Dazu kommen gigantische Investitionskosten für die dynamische Verkehrssteuerung. Allein die Ausrüstung auf 259 km bayrischer Autobahn haben zu Kosten von 15 Mio Euro geführt (Bayerische Staatsregierung, 2014). Übertragen auf alle Autobahnabschnitte ohne Tempolimit würde dies zu einer Gesamtinvestition (mit Inflationsanpassung) von 611 Mio Euro führen. Vor dem Hintergrund, dass das Finanzministerium für den Haushalt 2024 von allen Ressorts Einsparungen verlangt und dass selbst für die Instandsetzung und Sanierung der Autobahnbrücken nicht genug Geld vorhanden ist, scheint ein solches Vorhaben ambitioniert (Tagesschau, 2023; Spiegel, 2022). 

Im Kosten-Nutzen-Vergleich zeigt ein generelles Tempolimit eindeutige Vorteile und kann zudem sofort ohne Planungs- und Bauphase realisiert werden. 

Kurz vor der Bundestagswahl 2021 haben Vertreter*innen der deutschen Automobilindustrie mit einer Einführung einer generellen Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen gerechnet. Dies wurde aber nicht als Bedrohung für die Absätze der eigenen Produkte gesehen. Herbert Diess, damals Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG und Aufsichtsratsvorsitzender von Škoda Auto, Seat und Audi, hat in diesem Zusammenhang gesagt: „Wir verkaufen unsere Autos auf der ganzen Welt, auch in den Ländern mit Tempolimit. Insofern bedarf es keiner besonderen Vorbereitung“ (Handelsblatt 2021). Auch Stefan Reindl, CEO des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Ich sehe keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem möglichen Tempolimit und dem befürchteten Einbruch von Absatzzahlen der Automobilindustrie. In den USA beispielsweise gilt auf vielen Interstates ein Tempolimit zwischen 70-75 mph, also 112-120 km/h. Dennoch sind die Fahrzeuge deutscher Premium-Hersteller sehr präsent. Auch dort werden Porsche gekauft, die über 300 km/h fahren könnten, die aber im Realbetrieb niemand ausfahren kann“ (Ingenieur.de, 2023).

Ein weiterer Hinweis, dass der Mythos „Autobahn tested“ höchstens eine emotional-rührige Rechtfertigung ist, ist der Umstand, dass Premiummarken aus anderen Ländern, wie z.B. Lamborghini, aus Italien sehr gut Sportwagen verkaufen können – auch mit heimischem Tempolimit. Auch findet sich weder in Foren, noch Autozeitschriften oder den Katalogen der deutschen Hersteller das Label „Autobahn tested“. Außer bei der Automobillobby oder findigen Journalist*innen ist dieser Begriff nicht existent.

Die Problemsituation der deutschen Autoindustrie ergibt sich viel mehr aus dem späten Umstieg auf E-Mobilität. Laut Berichten geraten die deutschen Hersteller zunehmend durch gute und günstige Modelle aus China unter Druck (NDR, 2023; Spiegel, 2023).  

Zunächst sollte festgehalten werden, dass das von der FDP in Auftrag gegebene Papier (Eisenkopf & Knorr, 2023) keine umfassende Studie mit eigener Datenerhebung und eigenen Modellen ist, sondern lediglich der Versuch, die Ergebnisse der Studie im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) „Flüssiger Verkehr für Klimaschutz und Luftreinhaltung“ (UBA, 2023) einzuordnen. Um das Einsparpotenzial durch ein Tempolimit von 120 abzuschätzen, verknüpfen die Autoren des FDP-Gutachtens Parameter aus der UBA-Studie – allerdings auf unzulässige Weise (vgl. Bericht zur Erklärung der Abweichungen zwischen der FDP- und UBA-Studie). 

Ein grundlegendes Problem liegt in der Auswahl der Autoren für die FDP-Studie: Knorr und Eisenkopf sind Verkehrsökonomen und haben wenig bis keine Erfahrung mit der Erstellung bzw. dem Umgang mit Verkehrsmodellen. Auch sind ihnen grundlegende Begriffe der Verkehrsmodellierung nicht bekannt. 

Um die Qualität von wissenschaftlicher Arbeit zu wahren, hat sich der Mechanismus des Peer-Review etabliert. In diesem Verfahren wird eine wissenschaftliche Arbeit von unabhängigen Fachkolleg*innen geprüft und ggfs. werden Nachbesserungen gefordert. Eine Bestätigung ist Voraussetzung für eine Studie, um in einem Fachjournal publiziert werden zu können. Während z.B. die Studie von Prof. Gössling et al (2023) diesen Prozess erfolgreich durchlaufen ist, hat er bei dem FDP-Gutachten nicht stattgefunden. 

Dies kann erklären, warum den Autoren zum Teil eklatante Fehler unterlaufen sind: So unterstellen sie den Autoren der UBA-Studie, dass sie von der Floating Car Data (FCD) von TomTom auf die Zusammensetzung der Flotte geschlossen hätten. Dies trifft nicht zu. Die FCD wurde stattdessen genutzt, um die Verkehrszustände genauer zu erfassen. Ob ein Polo, Porsche oder Lkw im Stau steht, ist unerheblich. 

Darüber hinaus kritisieren sie zu Unrecht, dass die UBA-Studie von einer 100% Befolgungsquote der Höchstgeschwindigkeit auf limitierten Autobahnabschnitten ausgeht. In der europäischen Verkehrsmodellierung wird mit den Daten des Handbuchs für Emissionsfaktoren (kurz HBEFA) gearbeitet, um die Emissionseinsparungen durch Einführung oder Absenkung eines Tempolimits zu schätzen. Dass die Autoren dieses Vorgehen nicht kennen oder sogar für unwissenschaftlich befinden, zeigt einmal mehr, dass sie nicht vom Fach sind.   

In diesem Bericht gehen die Autoren der UBA-Studie auf weitere Fehler des FDP-Gutachtens ein. 

  • Die Ergebnisse des Policy-Briefs hängen stark von Zeitwertannahmen ab. Mit 65 Millionen „verlorenen“ Stunden liegt die Schätzung um 30% höher als in der Kosten-Nutzen-Analyse von Gössling et al (2023) – es wird jedoch nicht angegeben, wie diese Zeitverluste berechnet wurden.
  • Eine weitere fragliche Annahme: Es wird davon ausgegangen, dass der Wert der Zeit sowohl für Geschäfts- als auch für Privatreisen dem Lohn entspricht, da die private „verlorene Zeit für die Arbeit hätte genutzt werden können“. Dies ist keine übliche Vorgehensweise in Kosten-Nutzen-Analysen (Gössling et al, 2023).
  • Um die Qualität von wissenschaftlicher Arbeit zu wahren, hat sich der Mechanismus des Peer-Review etabliert. In diesem Verfahren wird eine wissenschaftliche Arbeit von unabhängigen Fachkolleg*innen geprüft und ggfs. werden Nachbesserungen gefordert. Eine Bestätigung ist Voraussetzung für eine Studie, um in einem Fachjournal publiziert werden zu können. Während z.B. die Kosten-Nutzen-Analyse von Prof. Gössling et al (2023) diesen Prozess erfolgreich durchlaufen ist, hat er bei dem Policy-Brief nicht stattgefunden. 

Quellen