Positionspapier Nr.1/2021: Bundesmobilitätsgesetz und fahrleistungsbezogene Pkw-Maut

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Klimaschutzziele nur mit Verkehrswende erreichbar!

Eine Verkehrswende braucht zur Umsetzung ein Bundesmobilitätsgesetz!

Verkehrswende ist über eine fahrleistungsbezogene Pkw-Maut finanzierbar!

Der aktuelle „Bundesverkehrswegeplan 2030“ (BVWP) verstößt gegen das Pariser Klimaschutzabkommen (1,5-Grad-Limit), gegen Artikel 20a des Grundgesetzes (Erhaltung der Lebensgrundlagen) sowie gegen § 13 Absatz 1 des Klimaschutzgesetzes (vgl. Rechtsgutachten im Auftrag des BUND sowie Urteil des Bundesverfassungsgerichts Verpflichtung des Staates zum Klimaschutzes nach Artikel 20a GG).

Deshalb muss es ein Bundesmobilitätsgesetz geben, mit dem Klimaschutz- und Mobilitätsziele erreicht sowie ihre Umsetzung finanziert werden können.

Motivation

Die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor sind seit 1990 unverändert hoch. Gleichzeitig hat sich die Bundesrepublik mittels Klimaschutzgesetz selbst dazu verpflichtet, die Emissionen von 2019 bis 2030 aus dem Verkehr um 48% zu senken (UBA 2021). Dies ist eine gewaltige Aufgabe und kann nur durch eine Neuordnung des rechtlichen Rahmens gelingen.

Bundesmobilitätsgesetz

Erst mit einem die Verkehrsträger übergreifenden Bundesmobilitätsgesetz wird es möglich, die bislang getrennten Gesetze (BundesschienenwegeausbaugesetzBundeswasserstraßenausbaugesetz, Fernstraßenausbaugesetz) auf eine Grundlage zu stellen, die planenden Institutionen und Behörden die notwendige Rechtssicherheit gibt. Nur über eine Neuordnung des Rechtsrahmens wird Verkehrswegeplanung zu einer Mobilitätsplanung, die an ökologischen und gemeinwohlorientierten Kriterien, wie z.B. dem Klimaschutz, der Teilhabe an Mobilität oder dem Gesundheitsschutz, ausgerichtet werden kann.

Beispiel

Ganz konkret bedeutet das, dass die Planungsbehörden mehr Freiraum bei der Umsetzung der Verkehrswende bekommen würden. Heutige Engpassanalysen (EPA) sind auf einen Verkehrsträger fokussiert und führen zu eingeschränkten Handlungsoptionen (Bundesverkehrswegeplan 2030, S. 24). So ist es z.B. unmöglich, auf einen festgestellten Engpass auf einer Autobahn mit einem Ausbau der Schiene, des ÖPNV oder der Radinfrastruktur zu reagieren.

Finanzierung

Neben dem passenden Rechtsrahmen bedarf die Transformation des Verkehrssektors auch einer hinreichenden Finanzierung. Um die oben erwähnten Minderungsziele zu erreichen, muss der Diesel- und Benzinverbrauch von heute an bis 2030 um ca. 40% fallen. Dies impliziert jährlich zunehmende Steuerausfälle bei der Energiesteuer auf Benzin und Diesel. Bei einem Steueraufkommen von rund 36 Mrd. € (2019) aus Benzin und Diesel sind das am Ende ca. 14 Mrd. € pro Jahr. Bei einer linearen Abnahme der Steuereinnahmen summieren sich die Mindereinnahmen in 10 Jahren auf rund 70 Mrd. €. Der BWVP wird von der Bundesregierung als Regierungsprogramm beschlossen und stellt keine gesetzliche Regelung dar. Er war bereits in der Vergangenheit unterfinanziert und legt seinen Schwerpunkt in der Planung mit 49 % des gesamten Kapitals bis heute auf den Straßenbau. Der aktuelle BVWP 2030 soll eine Reduktion von insgesamt von 0,4 Mio. Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr bis 2030 (BVWP, S. 24) bewirken – das reicht bei weitem nicht aus, um das im Klimaschutzgesetz festgeschriebene Einsparungsziel in Höhe von 65 Mio. Tonnen CO2e  von 2020 bis 2030 („Zulässige Jahresemissionsmengen“) zu erreichen.

Externe Kosten internalisieren – die fahrleistungsbezogene Pkw-Maut

Neben den Kosten für den Erhalt und Ausbau der Infrastruktur verursacht der Verkehrssektor auch erhebliche externe Kosten: Für das Jahr 2017 belaufen sich diese auf rund 150 Mrd. €, davon entfallen nahezu 95% (141 Mrd. €) auf den Straßenverkehr (Allianz pro Schiene 2019). Im Personenverkehr entfallen mit 104 Mrd. € die höchsten Kosten auf die Pkw-Nutzung. So verursachen Pkw-Nutzende pro Kilometer mit rund elf Cent pro Kilometer mehr als dreimal so hohe externe Kosten wie Bahnfahrende.

Trotz steigender Verkehrsleistung und wachsendem Pkw-Bestand stagniert das Aufkommen der verkehrsbezogenen Steuern und Abgaben. Die Einnahmen aus Energiesteuer, Kfz-Steuer und Lkw-Maut betrugen im Jahr 2020 etwa 50 Mrd. € (2019 etwa 53 Mrd. €) und decken damit bei weitem nicht die externen Kosten des Autoverkehrs. Die größte Einnahmequelle sind die Steuern auf Benzin und Diesel. Elektroautos sind sowohl von der Energiesteuer wie auch der Kfz-Steuer befreit. Mit zunehmendem Anteil an Elektroautos werden die Einnahmen sinken.

Um die notwendige Infrastruktur in eine klimaverträgliche Verkehrswende zu steuern, braucht es Instrumente, die einfach, transparent, lenkend, zügig und wirksam die Verkehrswende einleiten, beschleunigen und finanzieren.

Eine fahrleistungsbezogene Pkw-Maut würde jeden auf dem Straßennetz zurückgelegten Kilometer verursachergerecht mit einer Gebühr belegen. Der häufig erhobene Einwand, die Erfassungskosten wären zu hoch, bezieht sich auf die Umsetzungsvariante mit externen Kameras wie z.B. bei der City-Maut in London. Inzwischen gibt es aber einen deutlich kostengünstigeren Weg, um die zurückgelegte Strecke zu erfassen. Mit sogenannten On-Board-Units im Zusammenspiel mit Global Navigation Satellite Systems (GNSS) liegen die Erfassungskosten bei etwa 0,6 c/km (Rapp 2019). Dies ist eine erprobte Technik, die so auch bei der deutschen Lkw-Maut zum Einsatz kommt (BMVI 2021). Die Frage nach dem Datenschutz ist berechtigt, kann mittels verschlüsselter Übertragung und einer strengen Regulierung der Datenströme aber als gelöst betrachtet werden. So hat auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz Ulrich Kelber bestätigt, dass eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut prinzipiell mit den deutschen Datenschutzgrundsätzen vereinbar ist (ZDF 2019).

Die Einführung der fahrleistungsbezogenen Pkw-Maut wird von kommunaler Seite schon seit 2014 gefordert. Die Kommunen haben mit 500.000 km das größte Straßennetz zu unterhalten und leiden seit Jahren unter klammen Finanzen. Darüber hinaus plädieren sie für eine intelligente Ausgestaltung der Pkw-Maut, um Probleme wie Lärm-Emissionen und Überlastung der Straßen zu Stoßzeiten einzudämmen (DStGB 2014).

Die Transformation des Verkehrssektors ist längst überfällig und muss deswegen nun umso entschlossener angegangen werden. Ein Bundesmobilitätsgesetz würde den beteiligten Akteur*innen eine solide Rechtsgrundlage bieten und den nötigen Freiraum schaffen. Kombiniert mit einer fahrleistungsbezogenen Pkw-Maut kann dieses Unterfangen nicht nur auf der planerisch-theoretischen Ebene, sondern auch auf der Umsetzungsebene gelingen (vgl. auch Maßnahmenvorschlag 7 auf bundestag-im-klimaschutz.de).

Stand 12.11.2021

Positionspapier als pdf

Ansprechpartner: Dr. Jörg Lange

Geschäftsführender Vorstand
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Die Initiative „Klimaschutz im Bundestag“ vertritt die These, dass erfolgreicher Klimaschutz im nächsten Bundestag nicht ohne parteiübergreifende Gesetzesinitiativen zu konkreten Klimaschutzmaßnahmen auskommt.
Die Mitglieder des 20. Deutschen Bundestages nach Art. 38 GG an Aufträge und Weisungen (Stichwort Partei- oder Fraktionsdisziplin) nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen und nach Art. 20a GG zur Erhaltung der Lebensgrundlagen und damit den Klimaschutzzielen von Paris verpflichtet.

#klimaschutz-im-bundestag hat auf der Grundlage zahlreicher Studien und dem Wissen von Menschen aus der Praxis umsetzbare Vorschläge zusammengestellt, die in der aktuellen Legislaturperiode zur Erhaltung der Lebensgrundlagen die notwendige Transformation in Gesellschaft und Arbeitswelt einleiten können. Die Bundestagsabgeordneten sind aufgefordert, sich mit den dort gemachten Vorschlägen auseinander zu setzen und sie öffentlich zu bewerten, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild machen kann, wie Sie zu konkreten Klimaschutzmaßnahmen stehen. Wenn sie die konkreten Maßnahmen alle oder teilweise ablehnen, können Sie auf #klimaschutz-im-bundestag alternative Vorschläge in die Diskussion einbringen. Sie können Ihre Bewertung oder Ihre eigenen Vorschläge auch jederzeit wieder ändern. Die Plattform #klimaschutz-im-bundestag bietet darüber hinaus die Möglichkeit, dass Bürgerinnen/Bürger mit den Abgeordneten des 20. Deutschen Bundestages über konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz ins Gespräch kommen.

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