Positionspapier Nr.2/2022:
Entlastungspaket Nr. 2 der Bundesregierung
– Eine Kurzanalyse

Der Koalitionsausschuss verpasste mit seinen Beschlüssen am 23.3. zu einem zweiten Entlastungspaket ein weiteres Mal den notwendigen sozialen Ausgleich für steigende Energiepreise grundsätzlich neu und zielgerichtet zu regeln und klimaschädliche Subventionen abzubauen. Viele der Maßnahmen entlasten wieder nur unspezifisch einkommensschwache Haushalte, sondern verteilen Steuergelder weiterhin überwiegend mit der Gießkanne. Die Politik sollte kommunikativ in die Offensive gehen, um klar zu machen, dass eine zielgerichtete Entlastung einkommensschwacher Haushalte die fairste und kostengünstigste Möglichkeit ist, sozialen Ausgleich zu gewährleisten.

Um die finanziellen Auswirkungen der gestiegenen Energiekosten für die Menschen und die Wirtschaft abzumildern, hat sich der Koalitionsausschuss am 23.3. auf ein zweites Entlastungspaket in diesem Jahr geeinigt (BMF 24.3.2022), dass die Maßnahmen des ersten Entlastungspaket mit dem Steuerentlastungsgesetz 2022, dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz und dem Wegfall der EEG-Umlage zum 1.7.2022, ergänzt.

Zu den Maßnahmen des zweiten Entlastungspaketes im Einzelnen.

1        Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro für jeden sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer als Zuschuss zum Gehalt.

Die Auszahlung erfolgt über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers. Die Pauschale unterliegt der regulären Einkommensteuer.

Eine finanzielle Entlastung hoher Energiepreise für die einkommensschwache Verbrauchenden anzustreben, die akut von höheren Spritpreisen und Heizkosten betroffen sind, ist nachvollziehbar und richtig.

Da die Pauschale auf das Einkommen angerechnet wird, müssen die Steuerzahlenden einen Teil des Bonus direkt wieder an das Finanzamt abführen, was zu einer gewissen Progressivität führt im Gegensatz zu einer steuerbefreiten Pro-Kopf-Pauschale.

Konkret bedeutet, dass einem*einer Beschäftigten in Vollzeit mit Mindestlohn (9.82€/h) und einem Grenzsteuersatz von 26% (vgl. Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen 2021) netto 222€ von dem Zuschuss bleiben.

Der Spitzensteuersatz (42%) wird für Jahreseinkommen ab 58.000€ (brutto) fällig. Dann bleiben immer noch 174€ zusätzlich. Für Geringverdienende kann ein Zuschuss von 222€ unzureichend sein und für Gutverdienende sind die 174 € mit der Gießkanne verteiltes Steuergeld.

Alternativvorschlag

Zielgerichteter wäre z.B. gewesen eine nach Einkommen gestaffelten Zahlung vorzunehmen (leicht umzusetzen, da sich ohnehin das Finanzamt um die Abwicklung kümmern muss). Zum Beispiel als einkommensgestaffelter Zuschuss
400 € bis 1000 € Bruttoeinkommen
300 € bis 2000 € Bruttoeinkommen
200 € bis 3000 € Bruttoeinkommen
100 € bis 3583 € (Median-Einkommen)

Damit würden nur die unteren 50% der Einkommen bezuschusst. Dies würde nicht nur dazu führen, dass die einkommensschwachen deutlich gezielter unterstützt werden, sondern der Vorschlag würde den Staat auch 2,4 Mrd. € weniger kosten und wäre damit für alle Steuerzahlenden günstiger.

Ist, was fair empfunden wird, auch wirklich gerecht und sinnvoll?

Der in Umfragen häufig zum Ausdruck kommenden Vorstellung, dass eine Pauschale (gleicher Bonus für alle) gerecht sei, sollte Politik widersprechen und kommunikativ in die Offensive gehen, um klar zu machen, dass eine zielgerichtete Entlastung die fairste und kostengünstigste Möglichkeit ist, sozialen Ausgleich zu gewährleisten und zwar für alle Steuerzahlenden.

2       Absenkung der Energiesteuer um 30 Cent je Liter Benzin und 14 Cent pro Liter Diesel.

Diese Entlastung wird zurecht von zahlreichen Expert*innen abgelehnt, weil

  • die Wirkung des hohen Preises also des Knappheitssignals maskiert wird und wichtige Anpassungen, wie die Bildung von Fahrgemeinschafen, Anschaffung leichterer, kleinerer und effizienterer Modelle, Umstieg auf Rad oder ÖPNV, Nutzung von Car Sharing und der Verzicht auf Fahrten damit auf der Seite der Verbrauchenden möglicherweise ausbleiben.
  • dies zu weiteren empfindlichen Einnahmeausfällen führt, die eigentlich in die Mobilitätswende investiert werden müssten, die ohnehin stark unterfinanziert ist.

Alternativvorschläge

  • Entfernungs (Pendler-)pauschale sozial gerecht und ökologisch reformieren oder ersetzen.
    Von der Entfernungspauschale, die finanzielle Mehrbelastung durch lange Wege zur Arbeit abfedern soll, profitieren Haushalte mit hohem Einkommen überproportional. Es zählen die Entfernung zum Arbeitsplatz und die Zahl der Arbeitstage und seit 1.1.2022 wurde sie ab dem 21. Kilometer auf 38 Cent pro Kilometer erhöht. Sie gilt für alle Verkehrsmittel und mindert das zu versteuernde Einkommen. 2019 wurden so die letzte Schätzung des Bundesfinanzministeriums 11,6 Millionen Steuerzahler um 5,1 Milliarden Euro entlastet. Das entsprach einem Durchschnitt von 440 Euro pro Kopf.
    Sowohl eine Reform in Form eines zu versteuernden Zuschusses pro km (vgl. Punkt 1) nur für untere Einkommensklassen, als auch die vollständige Abschaffung aus Gründen der gesamtwirtschaftlichen Effizienz oder aus Gründen verkehrs-, siedlungs- und umweltpolitischer Verhaltenslenkung ist rechtlich möglich und klimapolitisch notwendig.
  • Dienstwagenprivileg abschaffen (Agora 2021).
  • Tempolimit (100/80/25), (vgl. MP 8)

3       Einmalbonus von 100 Euro pro Kind ergänzend zum Kindergeld

Bonus soll „Zur Abfederung besonderer Härten“ über die Familienkassen ausgezahlt werden. Der Bonus wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet. Gutverdienende profitieren von dieser Maßnahme damit weniger als Geringverdienende.

4      Weitere Einmalzahlung von 100 Euro für Transferempfänger (Beziehende von Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung) zu der bereits beschlossenen Einmalzahlung von 100 im ersten Entlastungspaket.

5       Auf drei Monate befristete Absenkung der bundesweit vergünstigten Nahverkehrsticket auf 9 € pro Monat.

Profitieren sollen auch Inhaber eines Monats- und Jahrestickets. Erfreulich an dem Vorschlag ist, dass die Politik damit beim Entlastungspaket auch an den Öffentlichen Nahverkehr denkt.

Die grundsätzlichen Probleme im Verkehrsbereich werden damit aber nur für viel Steuergeld um ein paar Monate überdeckt aber nicht gelöst. Die Mobilitätswende und damit auch der öffentliche Nahverkehr müssen auf eine ganz neue gesetzliche und finanzielle Grundlage gestellt werden.

Alternativvorschläge

Hierzu gehören

  • Ein Bundesmobilitätsgesetz, das eine Neuordnung von der bedarfs- zur zielorientierten Verkehrswegeplanung gewährleistet (VCD 2022)
  • die Einführung einer fahrleistungsabhängigen Pkw-Maut,
  • die flächendeckende Einführung eines solidarischen Jahrestickets (vgl. MP 6),

insgesamt zu einer ausreichenden Finanzierung der klimapolitisch notwendigen Mobilitätswende führen, die darüber hinaus zu weniger Abhängigkeit von fossilen Brenn- und Kraftstoffen führt.

6       Weitere Maßnahmen sind im Gebäudebereich geplant

  • Effizienzstandard 55 verbindlicher Mindeststandard für Neubauten ab 2023.
  • Ab 2024 soll zudem jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.
  • Daneben sind weitere Förderprogramme angekündigt, etwa um über 20 Jahre alte Heizungsanlagen auszutauschen sowie für die energieeffiziente Gebäudesanierung.

Alternativvorschläge Siehe dazu gesondertes Positionspapier

Zur Übersicht