400.000 neue Wohnungen pro Jahr – was bedeutet das für den Klimaschutz

dietenbach

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition heißt es u.a.

  • Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr…“
  • „Wir werden ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ mit allen wichtigen Akteuren schließen.“
  • „Wir werden einen Bau-, Wohnkosten und Klimacheck einführen.“

Laut statistischem Bundesamt sind zwischen Anfang 2011 und Ende 2020 rund 2,3 Mio. Wohnungen (durchschnittlich etwa 230.000 Wohnungen pro Jahr) zum Wohnungsbestand in Deutschland hinzugekommen. Im Durchschnitt ist im gleichen Zeitraum der Flächenverbrauch von 45 (2010) auf 47,4 (2020) Quadratmeter pro Einwohner gestiegen (destatis).

Gebaut wurden zwischen Anfang 2011 und Ende 2020 im Durchschnitt 314.000 Wohnungen mit durchschnittlich 105 m2 Wohnfläche (destatis).

Sollte nach dem Koalitionsvertrag die gleiche durchschnittliche Wohnungsfläche pro Neubauwohnung hinzukommen, so bedeutet dies weitere 86.000 Wohnungen pro Jahr. Damit sind erhebliche zusätzliche Emissionen verbunden.

Eine Bilanz des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR 2020) aus dem Jahr 2020 kommt für das Jahr 2014 für die Errichtung und Nutzung von Hochbauten in Deutschland auf Emissionen in Höhe von 398 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. Davon 75% (297 Mio Tonnen CO2-Äquivalente) durch Nutzung und Betrieb der Wohn- und Nichtwohnge­bäude (vor allem durch Verbrennung fossiler Brennstoffe für Raumwärme oder die Erzeugung von Strom incl. Vorketten) verursacht. Dies entspricht 33 % der nationalen Treibhausgasemissionen. Die restlichen 25 % wurden durch die vorgelagerten Lieferketten der Herstellung, Errichtung und Modernisierung der Wohn- und Nichtwohngebäuden und durch die direkten Emissionen der Bauwirtschaft (Anteil Hochbau) verursacht. 65 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente fallen im Inland an und stellen damit 7 % der nationalen THG-Emissionen, 35 Mio Tonnen CO2-Äquivalente sind zusätzlich im Ausland zu verzeichnen.

Damit wird klar, wie wichtig es ist, die neu hinzukommenden Emissionen von Gebäuden für die Errichtung und den Betrieb richtig zu bilanzieren. Nur so lassen sich auch geeignete Energieversorgungsvarianten abwägen, die mit möglichst wenig Treibhausgasemissionen auskommen und bezahlbar bleiben.

Beispiel Baugebiet Dietenbach in Freiburg

Eine aktuelle Auseinandersetzung am Beispiel des beschlossen Baugebietes Dietenbach in Freiburg (für 16.000 Einwohner und 1,1 Mio Bruttogeschossfläche) zeigt auf, was bei einer Abwägung für die ein oder andere Variante einer Energieversorgung alles beachtet werden sollte bzw. was alles schief gehen kann.

Im Falle Dietenbach hat sich der Gemeinderat am 30.11.2021 auf Vorschlag der Verwaltung für die Ausschreibung einer Energieversorgungsvariante mit einer zentralen Nahwärmeversorgung mit Großwärmepumpen entschieden, die mit einer Wasserstofferzeugung durch Emissionsgutschriften für „klimaneutralen Betrieb“ der Gebäude sorgen soll. Nach Berechnungen des Planungsbüros werden an bis zu 4.500 Stunden im Jahr Wasserstoff zu Zeiten erzeugt, an denen die Emissionen im bundesdeutschen Strommix besonders niedrig sind und somit Emissionsgutschriften begründen. Die Mehrheit der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen begrüßten „das Energiekonzept für den neuen Stadtteil Dietenbach als überzeugende und zukunftsweisende Möglichkeit, die Ziele des bezahlbaren Wohnraums und der Klimaneutralität gleichermaßen zu verwirklichen.“

Aus der umfangreichen „Energieszene Freiburgs“ kam hierzu massive sich zum Teil widersprechende Kritik.

  • Bezüglich der Emissionsbilanz vor allem, dass zusätzlicher Strombedarf für eine Elektrolyse und Wärmepumpen nicht mit den Emissionsfaktoren des zeitgleichen deutschen „Strommix“ bewertet werden dürfen, sondern mit dem jeweils gleichzeitig zusätzlich betriebenen Kraftwerk zur Abdeckung der sich zum Zeitpunkt des Bedarfs erhöhenden Residuallast (Verbrauch vor Ort abzüglich des Erneuerbaren Anteils). Dies gelte insbesondere für zusätzlichen Strom zur Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff (vgl. frontier economics 2021).
    Die Kriterien der Zusätzlichkeit und der Regionalität wurden damit bei der Emissionsbilanzierung nicht beachtet so die Kritik.

Einige weitere Kritikpunkte im Fall Dietenbach waren:

  • Die genaue Berechnung der Emissionsbilanz lag öffentlich nicht vor.
  • Im Vorfeld gab es keine Information bzw. Einigung darüber, nach welchen für den Fall geeigneten Kriterien (z.B. Kriterien für die Emissionsfaktoren des zusätzlichen Strombedarfs wie Zusätzlichkeit, Regionalität und Zeitgleichheit, Bilanzgrenzen usw.) die Energie- und Emissionsbilanz der Versorgungsvarianten zu erfolgen hat.
  • Die Gemeinderäte hatten vergleichsweise wenig Zeit sich mit den Versorgungsvarianten eingehend zu befassen und waren nach eigener Aussage damit überfordert, die komplexen Zusammenhänge zu bewerten. Damit bleibt Gemeinderäten natürlich im Zweifel wenig anderes übrig, als ihrer Verwaltung zu vertrauen.

Vorschlag: Am Beispiel des Energiekonzeptes von Dietenbach und anderen Beispielen sollte ein Leitfaden entwickelt werden, wie für die Energieversorgung größerer im Baugebiete eine Energie- und Emissionsbilanz zu erfolgen hat und welche Schritte bezüglich der Nachvollziehbarkeit und der Transparenz zu welchem Zeitpunkt zu erfolgen haben mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen insbesondere von Neubauten so niedrig wie möglich zu halten.

Nähere Infos der Stadt Freiburg zum Energiekonzept Dietenbach unter https://www.freiburg.de/pb/1733405.html

Zur Kritik am Energiekonzept u.a. unter https://klimaneutrales-freiburg.de

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