Klimaschutz im Bundestag 1: „Brauchen wir ein Bundesmobilitätsgesetz?“

Von der bedarfs- zur zielorientierten Planung

Die Bundesregierung hat mit dem Klimaschutzgesetz insbesondere im Verkehr ambitionierte Jahresziele umzusetzen. Ob es dafür ein Bundesmobilitätsgesetz braucht, diskutieren Vertreter*innen der Ampelkoalition und Verkehrsexperten bei einer gemeinsamen Online-Veranstaltung von “Klimaschutz im Bundestag” (eine Initiative des CO2 Abgabe e.V.) und des Verkehrsclub Deutschland VCD am 16. Dezember 2021 um 18:15 Uhr.

Über die Hintergründe und das Konzept eines Bundesmobilitätsgesetzes diskutierten

  • Kerstin Haarmann, VCD-Bundesvorsitzende
  • Dr. Jan Werner, Verkehrsexperte und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des VCD
  • Susanne Menge, MdB, Grüne, Sprecherin des Bundesarbeitskreises Mobilität
  • Bernd Reuther, MdB, FDP, Mitglied im Verkehrsausschuss und Vorsitzender der AG Verkehr der FDP-Bundestagsfraktion

Einführung und Moderation: Dr. Jörg Lange, Initiative Klimaschutz-im-Bundestag

Zur Aufzeichnung der Veranstaltung

Vortragsfolien von Dr. Jörg Lange

Vortragsfolien von Dr. Jan Werner

Eine weitere Veranstaltung zur Finanzierung des Systemwechsels z.B. mit einer Fahrleistungsbezogenen PkW-Maut ist für den 24. Februar 2022 um 18 Uhr angedacht.

„Mit dem gegenwärtigen Rechtsrahmen können wir die dringend notwendige Verkehrswende nicht erreichen. Im Koalitionsvertrag gibt es durchaus positive Ansätze für den Verkehrsbereich. So soll etwa die Verkehrsleistung im Schienenverkehr verdoppelt und es sollen mehr Güter auf die Schiene gebracht werden. An die Stelle der bisherigen Bundesverkehrswegplanung tritt erstmals für den Planungshorizont 2040 ein reformierter „Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplan“, sodass künftig übergeordnete Ziele wie Verkehrssicherheit und Klimaschutz darin verankert werden können. Damit diese Ziele auch wirksam umgesetzt werden, braucht es ein Bundesmobilitätsgesetz“, so Kerstin Haarmann, VCD-Bundesvorsitzende.

Es gibt ein Bundesfernstraßengesetz, ein Bundeswasserstraßengesetz, ein Eisenbahngesetz und einen Bundesverkehrswegeplan. Was es nicht gibt: einen bundesweiten und verkehrsträgerübergreifenden und zielorientierenden Rechtsrahmen und eine darauf aufbauende Planung für den Verkehr. Ein Bundesmobilitätsgesetz würde einen solchen Rahmen bieten, der außerdem die Ausrichtung an ökologischen und gemeinwohlorientierten Kriterien ermöglicht. Die heutige Verkehrsplanung basiert auf der Fortschreibung von historischen Trends und Engpassanalysen. Dadurch wird der Status Quo auf der Straße zementiert und jeder Fortschritt behindert. So ist es bislang nahezu unmöglich, auf eine festgestellte Überlastung einer Autobahn mit einem Ausbau der Schiene, des ÖPNV oder der Radinfrastruktur zu reagieren. Anforderungen z.B. aus dem Klimaschutzgesetz fließen bislang nicht in den Bundesverkehrswegeplan ein (Bundesverkehrswegeplan 2030, S. 24) und damit auch nicht in die auf dessen Grundlage vom Bundestag beschlossenen Ausbau- und Haushaltsgesetze.

„Die anvisierte Emissionsreduzierung im Verkehrsbereich bis 2030 um 43% ist sehr ambitioniert. Um überhaupt eine Chance zu haben, diese zu erreichen, braucht es die richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen und eine fahrleistungsbezogene Pkw-Maut, die den Umstieg auf umweltfreundliche Alternativen anreizt und eine solide Finanzierung gewährleistet”, kommentiert Dr. Jörg Lange in Bezug auf die Klimawirkung. Die Position von “Klimaschutz im Bundestag” zum Bundesmobilitätsgesetz ist in diesem Papier zusammengefasst.

Inzwischen liegt der Entwurf für ein Bundesmobilitätsgesetz seitens des VCD vor.

Teil des Entwurf ist es auch die rechtlichen Grundlage für eine PKW-Maut zu schaffen.

400.000 neue Wohnungen pro Jahr – was bedeutet das für den Klimaschutz

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition heißt es u.a.

  • Unser Ziel ist der Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr…“
  • „Wir werden ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ mit allen wichtigen Akteuren schließen.“
  • „Wir werden einen Bau-, Wohnkosten und Klimacheck einführen.“

Laut statistischem Bundesamt sind zwischen Anfang 2011 und Ende 2020 rund 2,3 Mio. Wohnungen (durchschnittlich etwa 230.000 Wohnungen pro Jahr) zum Wohnungsbestand in Deutschland hinzugekommen. Im Durchschnitt ist im gleichen Zeitraum der Flächenverbrauch von 45 (2010) auf 47,4 (2020) Quadratmeter pro Einwohner gestiegen (destatis).

Gebaut wurden zwischen Anfang 2011 und Ende 2020 im Durchschnitt 314.000 Wohnungen mit durchschnittlich 105 m2 Wohnfläche (destatis).

Sollte nach dem Koalitionsvertrag die gleiche durchschnittliche Wohnungsfläche pro Neubauwohnung hinzukommen, so bedeutet dies weitere 86.000 Wohnungen pro Jahr. Damit sind erhebliche zusätzliche Emissionen verbunden.

Eine Bilanz des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR 2020) aus dem Jahr 2020 kommt für das Jahr 2014 für die Errichtung und Nutzung von Hochbauten in Deutschland auf Emissionen in Höhe von 398 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. Davon 75% (297 Mio Tonnen CO2-Äquivalente) durch Nutzung und Betrieb der Wohn- und Nichtwohnge­bäude (vor allem durch Verbrennung fossiler Brennstoffe für Raumwärme oder die Erzeugung von Strom incl. Vorketten) verursacht. Dies entspricht 33 % der nationalen Treibhausgasemissionen. Die restlichen 25 % wurden durch die vorgelagerten Lieferketten der Herstellung, Errichtung und Modernisierung der Wohn- und Nichtwohngebäuden und durch die direkten Emissionen der Bauwirtschaft (Anteil Hochbau) verursacht. 65 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente fallen im Inland an und stellen damit 7 % der nationalen THG-Emissionen, 35 Mio Tonnen CO2-Äquivalente sind zusätzlich im Ausland zu verzeichnen.

Damit wird klar, wie wichtig es ist, die neu hinzukommenden Emissionen von Gebäuden für die Errichtung und den Betrieb richtig zu bilanzieren. Nur so lassen sich auch geeignete Energieversorgungsvarianten abwägen, die mit möglichst wenig Treibhausgasemissionen auskommen und bezahlbar bleiben.

Beispiel Baugebiet Dietenbach in Freiburg

Eine aktuelle Auseinandersetzung am Beispiel des beschlossen Baugebietes Dietenbach in Freiburg (für 16.000 Einwohner und 1,1 Mio Bruttogeschossfläche) zeigt auf, was bei einer Abwägung für die ein oder andere Variante einer Energieversorgung alles beachtet werden sollte bzw. was alles schief gehen kann.

Im Falle Dietenbach hat sich der Gemeinderat am 30.11.2021 auf Vorschlag der Verwaltung für die Ausschreibung einer Energieversorgungsvariante mit einer zentralen Nahwärmeversorgung mit Großwärmepumpen entschieden, die mit einer Wasserstofferzeugung durch Emissionsgutschriften für „klimaneutralen Betrieb“ der Gebäude sorgen soll. Nach Berechnungen des Planungsbüros werden an bis zu 4.500 Stunden im Jahr Wasserstoff zu Zeiten erzeugt, an denen die Emissionen im bundesdeutschen Strommix besonders niedrig sind und somit Emissionsgutschriften begründen. Die Mehrheit der im Gemeinderat vertretenen Fraktionen begrüßten „das Energiekonzept für den neuen Stadtteil Dietenbach als überzeugende und zukunftsweisende Möglichkeit, die Ziele des bezahlbaren Wohnraums und der Klimaneutralität gleichermaßen zu verwirklichen.“

Aus der umfangreichen „Energieszene Freiburgs“ kam hierzu massive sich zum Teil widersprechende Kritik.

  • Bezüglich der Emissionsbilanz vor allem, dass zusätzlicher Strombedarf für eine Elektrolyse und Wärmepumpen nicht mit den Emissionsfaktoren des zeitgleichen deutschen „Strommix“ bewertet werden dürfen, sondern mit dem jeweils gleichzeitig zusätzlich betriebenen Kraftwerk zur Abdeckung der sich zum Zeitpunkt des Bedarfs erhöhenden Residuallast (Verbrauch vor Ort abzüglich des Erneuerbaren Anteils). Dies gelte insbesondere für zusätzlichen Strom zur Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff (vgl. frontier economics 2021).
    Die Kriterien der Zusätzlichkeit und der Regionalität wurden damit bei der Emissionsbilanzierung nicht beachtet so die Kritik.

Einige weitere Kritikpunkte im Fall Dietenbach waren:

  • Die genaue Berechnung der Emissionsbilanz lag öffentlich nicht vor.
  • Im Vorfeld gab es keine Information bzw. Einigung darüber, nach welchen für den Fall geeigneten Kriterien (z.B. Kriterien für die Emissionsfaktoren des zusätzlichen Strombedarfs wie Zusätzlichkeit, Regionalität und Zeitgleichheit, Bilanzgrenzen usw.) die Energie- und Emissionsbilanz der Versorgungsvarianten zu erfolgen hat.
  • Die Gemeinderäte hatten vergleichsweise wenig Zeit sich mit den Versorgungsvarianten eingehend zu befassen und waren nach eigener Aussage damit überfordert, die komplexen Zusammenhänge zu bewerten. Damit bleibt Gemeinderäten natürlich im Zweifel wenig anderes übrig, als ihrer Verwaltung zu vertrauen.

Vorschlag: Am Beispiel des Energiekonzeptes von Dietenbach und anderen Beispielen sollte ein Leitfaden entwickelt werden, wie für die Energieversorgung größerer im Baugebiete eine Energie- und Emissionsbilanz zu erfolgen hat und welche Schritte bezüglich der Nachvollziehbarkeit und der Transparenz zu welchem Zeitpunkt zu erfolgen haben mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen insbesondere von Neubauten so niedrig wie möglich zu halten.

Nähere Infos der Stadt Freiburg zum Energiekonzept Dietenbach unter https://www.freiburg.de/pb/1733405.html

Zur Kritik am Energiekonzept u.a. unter https://klimaneutrales-freiburg.de

Wie viel Klimaschutz steckt im neuen Koalitionsvertrag?

Hier ein kurzer Abgleich zwischen dem, was wir auf “Klimaschutz im Bundestag” in Form von 19 Maßnahmenpaketen (MP) von der nächsten Bundesregierung und dem Bundestag vorschlagen und dem was die Ampel-Koalition in Form des Koalitionsvertrags (KoaV) unter der Überschrift “Mehr Fortschritt wagen” angekündigt hat. 

MP1: Klimaschutz als Pflichtaufgabe rechtlich konkretisieren 

Die von uns geforderte Back-Stop-Regelung, also das Verbot des Inverkehrbringens fossiler Energieträger, hat es zumindest in rudimentärer Form in den KoaV geschafft. Die Genehmigung von fossilen Infrastrukturen wird nur noch unter der Auflage gewährt, dass sie ab 2045 nur noch mit nicht-fossilen Energieträgern betrieben werden (S.65). 

Auch der von uns geforderte Klimavorbehalt für alles Gesetzesvorhaben, hat es in abgeschwächter Form in den KoaV geschafft. Wir werden Klimaschutz zu einer Querschnittsaufgabe machen, indem das jeweils federführende Ressort seine Gesetzentwürfe auf ihre Klimawirkung und die Vereinbarkeit mit den nationalen Klimaschutzzielen hin prüft und mit einer entsprechenden Begründung versieht (Klimacheck). (S. 55). 

Was die zivilgesellschaftliche Partizipation angeht, wird unserem Vorschlag nach dem Einsatz von Bürger*innenräten entsprochen:  Wir wollen die Entscheidungsfindung verbessern, indem wir neue Formen des Bürgerdialogs wie etwa Bürgerräte nutzen, ohne das Prinzip der Repräsentation aufzugeben. Wir werden Bürgerräte zu konkreten Fragestellungen durch den Bundestag einsetzen und organisieren. (S. 10) 

MP2 Für den Klimaschutz (aus-)bilden: In Beruf und Schule 

Der Fachkräftemangel als ernste Bedrohung für die Energiewende in Deutschland zur Kenntnis genommen: Der Mangel an qualifizierten Fachkräften in vielen Branchen kann eines der größten Hindernisse […] für das Gelingen der Transformation in Deutschland sein (S. 32). 

Es herrscht Einigung darüber, dass die Weiterbildung und auch die Neuqualifizierung unter Umständen auch in der Mitte des Berufslebens wichtige Elemente einer Wirtschaftstransformation sind. In diesem Zusammenhang beabsichtigt die künftige Bundesregierung ein Qualifizierungsgeld einzuführen, das ähnlich funktioniert wie das Kurzarbeitergeld, aber dafür gedacht ist, den Beschäftigten eine Ausbildung bzw. Fortbildung zu ermöglichen, ohne den aktiven Arbeitsmarkt zu verlassen. (S. 68). 

MP3 Bilanzierung der Treibhausgase durch die Lieferkette 

Deutschland hat mit 7% einen erheblichen Anteil am Welthandel (BMWi 2020). So haben Unternehmen in Deutschland erheblichen Einfluss über ihre ihre Lieferkette auf weit mehr als die territorialen Emissionen (ca. 2%). Als Grundlage dafür muss es eine verpflichtende Bilanzierung der Treibhausgase durch die Lieferkette geben. Im Koav wird in diesem Zusammenhang lediglich auf das europäische Lieferkettengesetz verwiesen. (S.34). Weder das deutsche noch der Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz enthält verbindliche Vorgaben für Unternehmen zur Erfassung der Vorkettenemissionen und ein entsprechende Kennzeichnungspflicht für Produkte. 

Einige wichtige Regeln will man auf europäischer Ebene verankern: Wir schreiben höhere Recyclingquoten und eine produktspezifische Mindestquote für den Einsatz von Rezyklaten und Sekundärrohstoffen auf europäischer Ebene fest. (S. 42). 

Wichtige Elemente einer Kreislaufwirtschaft wie ein Verbot des Export von klimaschädlichen Produkten und die Einsparung von Verpackungsmaterial bzw. der Umstieg auf Biomasse-basierte Verpackungen fehlen jedoch.

MP4 Kreislaufwirtschaft: Der Weg aus den Müllbergen 

Dem Thema “Kreislaufwirtschaft” haben die künftigen Regierungsparteien einen ganzen Abschnitt gewidmet. 
Produkte müssen langlebig, wiederverwendbar, recycelbar und möglichst reparierbar sein. (S. 42). Die Lebensdauer und Reparierbarkeit eines Produktes machen wir zum erkennbaren Merkmal der Produkteigenschaft (Recht auf Reparatur) (S. 112). 

Siedlungsabfälle dürfen in Zukunft nicht mehr deponiert werden. Der Export von Abfällen wird stärker reguliert, so dürfen nur noch zertifizierte Recycling-Betriebe Abfälle exportieren (S. 43). 

MP5 Vom Straßen- zum Lebensraum – Straße kann mehr als Auto 

Eine der wichtigsten Forderungen aus Maßnahmenpaket 5 hat es in den KoaV geschafft: Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen. (S. 52). 

Was hingegen fehlt sind verbindliche Regeln, um die Anzahl der städtischen Parkplätze sukzessive zu verringern und die Parkgebühren sukzessive zu erhöhen. Auch die Ankündigung vom designierten Verkehrsminister Volker Wissing, dass er der Anwalt der Autofahrer sei, lässt erahnen, dass es noch viel Druck seitens der Zivilgesellschaft braucht, um wichtige Schritte einzuleiten. Der Satz “Wir wollen die nutzungsgemischte Stadt” (S. 92) ist zwar nicht sehr klar, aber wir hoffen, dass dahinter die Erkenntnis steckt, dass wir eine “Stadt der kurzen Wege” als neues städtebauliches Dogma brauchen. 

MP6 Bezahlbare und flexible Mobilität durch solidarisches Jahresticket, Routengenerator und Mobilitätskarte 

Der Vorschlag zu einem solidarischen Jahresticket hat es nicht in den KoaV geschafft. Die Grundlage für einen verkehrsmittelübergreifenden Routenplaner und ein einheitliches Bezahlsystem findet sich aber in folgendem Absatz wieder: 

Für eine nahtlose Mobilität verpflichten wir Verkehrsunternehmen und Mobilitätsanbieter, ihre Echtzeitdaten unter fairen Bedingungen bereitzustellen. Anbieterübergreifende digitale Buchung und Bezahlung wollen wir ermöglichen. Den Datenraum Mobilität entwickeln wir weiter. (S. 50) 

MP7 Fahrleistungsbezogene PKW Maut und Bundesmobilitätsgesetz 

Es scheint in der Ampelkoalition erkannt zu sein, dass der Bundesverkehrswegeplan in seiner jetzigen Form eine Belastung für Mensch und Natur ist und es besteht zumindest die Bereitschaft die beschlossenen Projekte auf den Prüfstand zu stellen. 

Wir streben einen neuen Infrastrukturkonsens bei den Bundesverkehrswegen an. Dazu werden wir parallel zur laufenden Bedarfsplanüberprüfung einen Dialogprozess mit Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden starten mit dem Ziel einer Verständigung über die Prioritäten bei der Umsetzung des geltenden Bundesverkehrswegeplan. Bis zur Bedarfsplanüberprüfung gibt es eine gemeinsame Abstimmung über die laufenden Projekte. Wir werden auf Basis neuer Kriterien einen neuen Bundesverkehrswege- und -mobilitätsplan 2040 auf den Weg bringen. (S.48) 

Dennoch zeigt sich hier keine Bereitschaft, den gesamten Verkehrsbereich in Form eines Bundesmobilitätsgesetz auf eine solide und zukunftsfähige Rechtsgrundlage zu stellen.  

Des Weiteren ist die Ausweitung der Lkw-Maut auf Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen vorgesehen, was wir begrüßen. Kritisch hingegen ist die Einführung einer CO2-Komponente für die Lkw-Maut zu sehen. Die Externalitäten aus den Emissionen sollten weiterhin über den CO2-Preis auf den Treibstoff internalisiert werden und nicht durch eine Maut. 

Was gänzlich fehlt ist eine Finanzierungsperspektive für den gesamten Verkehrssektor. Die von uns vorgeschlagene fahrleistungsbezogene Pkw-Maut hat es nicht in den KoaV geschafft, obwohl auch Expert*innen aus Kreisen der Ampelkoalition wissen, dass in Zukunft an der Internalisierung der externen Kosten des individuellen motorisierten Verkehrs  kein Weg an vorbeiführt.  

MP8 Generelles Tempolimit 

Laut KoaV wird es in der aktuellen Legislatur kein generelles Tempolimit auf Autobahnen geben. Die Diskussion ist damit aber nicht beendet. Zum einen bestätigen Umfragen eine Mehrheit in der Bevölkerung für ein Tempolimit, dem das Bündnis um die Deutsche Umwelthilfe Nachdruck verleihen wird(vgl. Petition DUH https://www.duh.de/tempolimit/).  
Zum anderen ist es wahrscheinlich, dass der Verkehrssektor seine Reduktionsziele nicht erreichen wird. Dies könnte dazu führen, dass das Verkehrsministerium auf Grundlage des Klimaschutzgesetzes dazu gezwungen wird, wirksame Sofortmaßnahmen wie ein Tempolimit einzuführen. 

MP9 Abbau klimaschädlicher Subventionen 

Die künftige Regierung ist sich einig, dass der Abbau von klimaschädlichen Subventionen eine vordringliche Aufgabe ist: Wir wollen zusätzliche Haushaltspielräume dadurch gewinnen, dass wir im Haushalt überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben abbauen. (S. 162). 

Abgesehen von der Angleichung der Besteuerung von Benzin und Diesel gemäß europäischer Energierichtlinie findet sich aber wenig Konkretes. Und an der wenig zielführenden Subvention von E-Autos (Innovationsprämie) wird bis mindestens Ende 2022 festgehalten (S. 162).

Über die Einführung einer Kerosinsteuer möchte man nicht entscheiden, sondern wartet die Entwicklung auf EU-Ebene ab (S. 53). 

MP10 Verursachergerechte Preise: Steuer- und Umlagenreform 

Sehr gefreut hat es uns, dass es folgender Satz in den KoaV geschafft hat: 

Wir werden im Rahmen der Novellierung des Steuer-, Abgaben- und Umlagensystems die Förderung von Mieterstrom- und Quartierskonzepten vereinfachen und stärken. (S. 58) 

Ob diese Freude auch begründet ist, wird sich aber erst zeigen, wenn es mehr Details zu der angekündigten Steuer- und Umlagenreform gibt. 

MP11 Endproduktabgabe für Gütertransport-Emissionen 

Von dem sehr konkreten Vorstoß die Transportemissionen in Form von einer Endproduktabgabe sofort auf Produkte aufzuschlagen findet sich leider nichts im KoaV. Es bleibt abzuwarten, was sich hinter dem Klimaschutz-Sofortprogramm verbirgt, das an vielen Stellen erwähnt wird und noch 2022 kommen soll (S. 55).  Diese Endproduktabgabe würde sich auf jeden Fall anbieten, da die Bemessungsgrundlage für eine solche Abgabe sehr leicht zu ermitteln ist und die notwendigen Daten ohnehin bereits von den Logistikdienstleistern erhoben werden. 

MP12 Treibhausgase in der Industrie reduzieren: CO2-Mindestpreise, Grenzausgleich und Differenzverträge 

Ein weiterer Erfolg ist die Anerkennung von Differenzverträgen als zentrales Instrument für die Transformation der deutschen Industrie. Um unsere heimische Industrie, insbesondere die Grundstoffindustrie, zu unterstützen, werden wir in dem für die Erreichung der Klimaziele ausreichendem Maße geeignete Instrumente schaffen, beispielsweise Carbon Contracts for Difference (Klimaverträge, CCfD), um so auch insbesondere die Wirtschaftlichkeitslücke zu schließen. (S. 25) 

Des Weiteren ist man sich bewusst, dass es durch den steigenden CO2-Preis zu Marktverzerrungen ggü. dem internationalen Wettbewerb kommen kann und man darauf reagieren muss: Wir unterstützen die Einführung eines europaweit wirksamen CO2-Grenzausgleichsmechanismus oder vergleichbar wirksame Instrumente. (S. 25) 

Die EEG-Umlage auf den Strompreis wird abgeschafft: Um[…] wettbewerbsfähige Energiepreise zu sorgen, werden wir die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis beenden. […] Die Finanzierung übernimmt der EKF (Energie- und Klimafonds), der aus den Einnahmen der Emissionshandelssysteme (BEHG und ETS) und einem Zuschuss aus dem Bundeshaushalt gespeist wird. (S.62) 

Die Reform des BEHG und EU-ETS soll angegangen werden: Wir wollen den europäischen Emissionshandel und das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) im Sinne des EU-Programms „Fit for 55“ überarbeiten. Wir setzen auf einen steigenden CO2-Preis als wichtiges Instrument, verbunden mit einem starken sozialen Ausgleich und werden dabei insbesondere Menschen mit geringeren Einkommen unterstützen. Was gut ist fürs Klima, wird günstiger – was schlecht ist, teurer. (S. 62) 

Des Weiteren will man sich für einen Mindestpreis für CO2 auf EU-Ebene einsetzen und falls das nicht klappt mit nationalen Maßnahmen für einen Mindestpreis sorgen: Sollte die Entwicklung der nächsten Jahre anders verlaufen und die Europäische Union sich nicht auf einen ETS-Mindestpreis verständigt haben, werden wir über die entsprechenden nationalen Maßnahmen entscheiden (wie z. B. Zertifikatlöschung oder Mindestpreis etc.), damit der CO2-Preis langfristig nicht unter 60 Euro/Tonne fällt. (S. 63). 

MP13 Strompreise regional, netzdienlich und verursachergerecht 

Im Zuge des Ausbaus der Erneuerbaren Energien werden wir ein neues Strommarktdesign erarbeiten.  (S. 61) Die Intention ist wichtig und richtig, mit Details ist man aber zurückhaltend. Daher ist es schwierig die Tragweite dieser Aussage zu bewerten. Zumindest wird erwähnt, dass der Neubau von H2-fähigen Gaskraftwerken und das Lastenmanagement eine Rolle spielen soll.  

Positiv ist auch zu werten, dass die Bürger-Energie als wichtiges Element der Energiewende anerkannt wird und gefördert werden soll:  Im Rahmen des europarechtlich Möglichen werden wir die Rahmenbedingungen für die Bürger-Energie verbessern (Energy Sharing, Prüfung eines Fonds, der die Risiken absichert) und insgesamt die De-minimis- Regelungen als Beitrag zum Bürokratieabbau ausschöpfen. (S. 58) 

MP14 Energieleitpläne für mehr Energieeffizienz in jeder Gemeinde 

Die Erkenntnis, dass man Strom und Wärme zusammen denken muss und man das am besten durch verpflichtende Energieleitpläne für alle Kommunen anregt, hat sich bislang leider nicht durchgesetzt. In dem KoaV findet sich lediglich eine Aussage zu Wärmeleitplänen. Wir werden uns für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und den Ausbau der Wärmenetze einsetzen. (S. 58) 

MP15 Umbau des Erdgasnetzes in ein „Grünes“ Wasserstoffnetz 

Die Absicht schnell in eine Wasserstoffwirtschaft einzusteigen ist nachvollziehbar, aber es kommt stark auf die richtige Ausgestaltung des Weges dahin an. Die künftige Bundesregierung scheint auch klimaschädlichen Wasserstoff fördern zu wollen: Für einen schnellen Hochlauf und bis zu einer günstigen Versorgung mit grünem Wasserstoff setzen wir auf eine technologieoffene Ausgestaltung der Wasserstoffregulatorik. (S. 59). 

Eine Wasserstoffproduktion und ihre Nutzung muss immer zu mehr Emissionsminderung führen, als zu ihrer Produktion emittiert werden. Zusätzlicher Strombedarf darf nicht mit den Emissionsfaktoren des zeitgleichen deutschen „Strommix“ bewertet werden, sondern mit dem jeweils gleichzeitig zusätzlich betriebenen Kraftwerk zur Abdeckung der sich zum Zeitpunkt des Bedarfs erhöhenden Residuallast (Verbrauch vor Ort abzüglich des Erneuerbaren Anteils). (vgl. frontier economics 2021). 

MP16 Tierwohl- und Emissionsabgabe, klimaschonende Landnutzung 

Eine kombinierte Tierwohl- und Emissionsabgabe, in der von uns vorgeschlagenen Form wird nicht kommen. Dennoch wird ein finanzieller Mechanismus angedeutet, der für mehr Tierwohl sorgen und von den betroffenen Marktteilnehmer*innen getragen werden soll. 

Wir wollen die Landwirte dabei unterstützen, die Nutztierhaltung in Deutschland artgerecht umzubauen. Dafür streben wir an, ein durch Marktteilnehmer getragenes finanzielles System zu entwickeln, mit dessen Einnahmen zweckgebunden die laufenden Kosten landwirtschaftlicher Betriebe ausgeglichen und Investitionen gefördert werden ohne den Handel bürokratisch zu belasten. (S. 43) 

Wir freuen uns, dass eine Nationale Moorschutzstrategie in Planung ist: Wir werden die Umsetzung von Moorschutzmaßnahmen durch einen partizipativen Prozess zur Erarbeitung nachhaltiger Entwicklungskonzepte begleiten, Perspektiven für die Regionen entwickeln und alternative Bewirtschaftungsformen stärken (u. a. Paludikulturen). (S. 38). 

Und auch, dass wir dem Verbot von torfhaltigen Produkten näherkommen: Wir werden Alternativen zur Torfnutzung entwickeln und beschließen einen Ausstiegsplan für Torfabbau und -verwendung. (S. 38). 

Eine präzise Forderung und zwar, dass Ackerfläche, die mit PV überdacht ist genauso mit EU-Mitteln aus der GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) zu fördern ist wie PV-lose Ackerfläche, sehen wir eingelöst: Auch innovative Solarenergie wie Agri- und Floating-PV werden wir stärken und die Ko-Nutzung ermöglichen. (S. 56) 

MP17 Bioökonomie: Nachwachsende statt fossile Rohstoffe? 

Der Begriff Bioökonomie findet sich genau einmal im KoaV im Abschnitt “Startup-, Gründungs und Innovationsförderung”, es wird aber nicht näher darauf eingegangen. Auf die Voraussetzungen (weniger Tierbestand und Fleischkonsum) für eine Bioökonomie, die auf nachwachsende Rohstoffe von Flächen angewiesen ist wird nicht hingewiesen. 

MP18 “Negative Emissionen“: Natürliche und künstliche Kohlenstoffsenken 

Angekündigt wurde eine “Langfriststrategie” zum Thema unvermeidbare Restemissionen und Negativemissionen. Leider ist weder ein Zeitplan genannt, noch ein Ansatz zur Finanzierung. Außerdem gibt es ein “klares Bekenntnis” zu technischen Negativemissionen, die i.d.R. mit einem hohen Energieverbrauch und/oder Risiko verbunden sind. (S. 65). 

MP19 Weltweite Koalitionen für Klimaschutz mit einheitlichen Standards 

Die internationale Kooperation spielt für die nächste Regierung anscheinend eine große Rolle. So gibt es ein Bekenntnis, die zugesagte Finanzhilfe i.H.v. 0.7% des BNE (Bruttonationaleinkommens) für die Klimafinanzierung in Entwicklungsländern aufzubringen (S. 150). 
Außerdem strebt sie die Gründung eines Klimaclubs an: 
Wir nutzen die Europäische Union und die internationalen Gremien gemeinsam mit europäischen Partnern für eine Initiative zur Gründung eines für alle Staaten offenen internationalen Klimaclubs mit einem einheitlichen CO2-Mindestpreis und einem gemeinsamen CO2-Grenzausgleich.. (S. 26)  

“klimaneutral” –  Richtig rechnen und bilanzieren! 

Sicherlich gibt es in dem Koalitionsvertrag viele Anknüpfungspunkte für konkrete Klimaschutzmaßnahmen. Es bleibt an vielen Stellen (Mobilität, Landwirtschaft, Industrie, usw.) unklar, was genau mit dem Begriff der Klimaneutralität gemeint ist. Wie werden Treibhausgasemissionen wissenschaftlich begründet bilanziert, um die Klimaziele nicht nur auf dem Papier zu erreichen? Das zu klären ist Voraussetzung, um die anstehenden Herausforderungen gemeinsam zu lösen. 

Wie werden die Maßnahmen im KoaV finanziert? 

Es wird im KoaV an sehr vielen Stellen von Förderung, finanzieller Hilfe, Stärkung, etc. gesprochen, auf der Einnahmenseite fehlen jedoch Perspektiven, da man sich durch den kategorischen Ausschluss von neuen Steuern bzw. Steuererhöhungen stark einschränkt. Letztlich bleiben auf der Einnahmenseite nur der Abbau der klimaschädlichen Subventionen, der nur unzureichend beschrieben ist, die Mehreinnahmen durch die Cannabis-Legalisierung (bis zu 4,7 Mrd Euro, Haucamp 2021) und die Ausgabe von “Greenbonds”. Ob das für die anstehenden Aufgaben ausreicht, ist dabei mehr als fraglich.  

Nichtdestotrotz sehen wir das vorliegende Dokument als Einladung für den weiteren Dialog mit den Mitgliedern des deutschen Bundestags mit dem Ziel mehr ökologische Gesetzesinitiativen auf den Weg zu bringen. Sprechen Sie die Abgeordneten Ihres Vertrauen an! 

Positionspapier Nr.1/2021: Bundesmobilitätsgesetz und fahrleistungsbezogene Pkw-Maut

Klimaschutzziele nur mit Verkehrswende erreichbar!

Eine Verkehrswende braucht zur Umsetzung ein Bundesmobilitätsgesetz!

Verkehrswende ist über eine fahrleistungsbezogene Pkw-Maut finanzierbar!

Der aktuelle „Bundesverkehrswegeplan 2030“ (BVWP) verstößt gegen das Pariser Klimaschutzabkommen (1,5-Grad-Limit), gegen Artikel 20a des Grundgesetzes (Erhaltung der Lebensgrundlagen) sowie gegen § 13 Absatz 1 des Klimaschutzgesetzes (vgl. Rechtsgutachten im Auftrag des BUND sowie Urteil des Bundesverfassungsgerichts Verpflichtung des Staates zum Klimaschutzes nach Artikel 20a GG).

Deshalb muss es ein Bundesmobilitätsgesetz geben, mit dem Klimaschutz- und Mobilitätsziele erreicht sowie ihre Umsetzung finanziert werden können.

Motivation

Die Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor sind seit 1990 unverändert hoch. Gleichzeitig hat sich die Bundesrepublik mittels Klimaschutzgesetz selbst dazu verpflichtet, die Emissionen von 2019 bis 2030 aus dem Verkehr um 48% zu senken (UBA 2021). Dies ist eine gewaltige Aufgabe und kann nur durch eine Neuordnung des rechtlichen Rahmens gelingen.

Bundesmobilitätsgesetz

Erst mit einem die Verkehrsträger übergreifenden Bundesmobilitätsgesetz wird es möglich, die bislang getrennten Gesetze (BundesschienenwegeausbaugesetzBundeswasserstraßenausbaugesetz, Fernstraßenausbaugesetz) auf eine Grundlage zu stellen, die planenden Institutionen und Behörden die notwendige Rechtssicherheit gibt. Nur über eine Neuordnung des Rechtsrahmens wird Verkehrswegeplanung zu einer Mobilitätsplanung, die an ökologischen und gemeinwohlorientierten Kriterien, wie z.B. dem Klimaschutz, der Teilhabe an Mobilität oder dem Gesundheitsschutz, ausgerichtet werden kann.

Beispiel

Ganz konkret bedeutet das, dass die Planungsbehörden mehr Freiraum bei der Umsetzung der Verkehrswende bekommen würden. Heutige Engpassanalysen (EPA) sind auf einen Verkehrsträger fokussiert und führen zu eingeschränkten Handlungsoptionen (Bundesverkehrswegeplan 2030, S. 24). So ist es z.B. unmöglich, auf einen festgestellten Engpass auf einer Autobahn mit einem Ausbau der Schiene, des ÖPNV oder der Radinfrastruktur zu reagieren.

Finanzierung

Neben dem passenden Rechtsrahmen bedarf die Transformation des Verkehrssektors auch einer hinreichenden Finanzierung. Um die oben erwähnten Minderungsziele zu erreichen, muss der Diesel- und Benzinverbrauch von heute an bis 2030 um ca. 40% fallen. Dies impliziert jährlich zunehmende Steuerausfälle bei der Energiesteuer auf Benzin und Diesel. Bei einem Steueraufkommen von rund 36 Mrd. € (2019) aus Benzin und Diesel sind das am Ende ca. 14 Mrd. € pro Jahr. Bei einer linearen Abnahme der Steuereinnahmen summieren sich die Mindereinnahmen in 10 Jahren auf rund 70 Mrd. €. Der BWVP wird von der Bundesregierung als Regierungsprogramm beschlossen und stellt keine gesetzliche Regelung dar. Er war bereits in der Vergangenheit unterfinanziert und legt seinen Schwerpunkt in der Planung mit 49 % des gesamten Kapitals bis heute auf den Straßenbau. Der aktuelle BVWP 2030 soll eine Reduktion von insgesamt von 0,4 Mio. Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr bis 2030 (BVWP, S. 24) bewirken – das reicht bei weitem nicht aus, um das im Klimaschutzgesetz festgeschriebene Einsparungsziel in Höhe von 65 Mio. Tonnen CO2e  von 2020 bis 2030 („Zulässige Jahresemissionsmengen“) zu erreichen.

Externe Kosten internalisieren – die fahrleistungsbezogene Pkw-Maut

Neben den Kosten für den Erhalt und Ausbau der Infrastruktur verursacht der Verkehrssektor auch erhebliche externe Kosten: Für das Jahr 2017 belaufen sich diese auf rund 150 Mrd. €, davon entfallen nahezu 95% (141 Mrd. €) auf den Straßenverkehr (Allianz pro Schiene 2019). Im Personenverkehr entfallen mit 104 Mrd. € die höchsten Kosten auf die Pkw-Nutzung. So verursachen Pkw-Nutzende pro Kilometer mit rund elf Cent pro Kilometer mehr als dreimal so hohe externe Kosten wie Bahnfahrende.

Trotz steigender Verkehrsleistung und wachsendem Pkw-Bestand stagniert das Aufkommen der verkehrsbezogenen Steuern und Abgaben. Die Einnahmen aus Energiesteuer, Kfz-Steuer und Lkw-Maut betrugen im Jahr 2020 etwa 50 Mrd. € (2019 etwa 53 Mrd. €) und decken damit bei weitem nicht die externen Kosten des Autoverkehrs. Die größte Einnahmequelle sind die Steuern auf Benzin und Diesel. Elektroautos sind sowohl von der Energiesteuer wie auch der Kfz-Steuer befreit. Mit zunehmendem Anteil an Elektroautos werden die Einnahmen sinken.

Um die notwendige Infrastruktur in eine klimaverträgliche Verkehrswende zu steuern, braucht es Instrumente, die einfach, transparent, lenkend, zügig und wirksam die Verkehrswende einleiten, beschleunigen und finanzieren.

Eine fahrleistungsbezogene Pkw-Maut würde jeden auf dem Straßennetz zurückgelegten Kilometer verursachergerecht mit einer Gebühr belegen. Der häufig erhobene Einwand, die Erfassungskosten wären zu hoch, bezieht sich auf die Umsetzungsvariante mit externen Kameras wie z.B. bei der City-Maut in London. Inzwischen gibt es aber einen deutlich kostengünstigeren Weg, um die zurückgelegte Strecke zu erfassen. Mit sogenannten On-Board-Units im Zusammenspiel mit Global Navigation Satellite Systems (GNSS) liegen die Erfassungskosten bei etwa 0,6 c/km (Rapp 2019). Dies ist eine erprobte Technik, die so auch bei der deutschen Lkw-Maut zum Einsatz kommt (BMVI 2021). Die Frage nach dem Datenschutz ist berechtigt, kann mittels verschlüsselter Übertragung und einer strengen Regulierung der Datenströme aber als gelöst betrachtet werden. So hat auch der Bundesbeauftragte für Datenschutz Ulrich Kelber bestätigt, dass eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut prinzipiell mit den deutschen Datenschutzgrundsätzen vereinbar ist (ZDF 2019).

Die Einführung der fahrleistungsbezogenen Pkw-Maut wird von kommunaler Seite schon seit 2014 gefordert. Die Kommunen haben mit 500.000 km das größte Straßennetz zu unterhalten und leiden seit Jahren unter klammen Finanzen. Darüber hinaus plädieren sie für eine intelligente Ausgestaltung der Pkw-Maut, um Probleme wie Lärm-Emissionen und Überlastung der Straßen zu Stoßzeiten einzudämmen (DStGB 2014).

Die Transformation des Verkehrssektors ist längst überfällig und muss deswegen nun umso entschlossener angegangen werden. Ein Bundesmobilitätsgesetz würde den beteiligten Akteur*innen eine solide Rechtsgrundlage bieten und den nötigen Freiraum schaffen. Kombiniert mit einer fahrleistungsbezogenen Pkw-Maut kann dieses Unterfangen nicht nur auf der planerisch-theoretischen Ebene, sondern auch auf der Umsetzungsebene gelingen (vgl. auch Maßnahmenvorschlag 7 auf bundestag-im-klimaschutz.de).

Stand 12.11.2021

Positionspapier als pdf

Ansprechpartner: Dr. Jörg Lange

Geschäftsführender Vorstand
CO2 Abgabe e.V. | Alfred-Döblin-Platz 1 | 79100 Freiburg im Breisgau

Telefon: +49 (0)761 45 89 32 77
E-Mail: joerg.lange@co2abgabe.de |
Web:    co2abgabe.de | klimaschutz-im-bundestag.de

Die Initiative „Klimaschutz im Bundestag“ vertritt die These, dass erfolgreicher Klimaschutz im nächsten Bundestag nicht ohne parteiübergreifende Gesetzesinitiativen zu konkreten Klimaschutzmaßnahmen auskommt.
Die Mitglieder des 20. Deutschen Bundestages nach Art. 38 GG an Aufträge und Weisungen (Stichwort Partei- oder Fraktionsdisziplin) nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen und nach Art. 20a GG zur Erhaltung der Lebensgrundlagen und damit den Klimaschutzzielen von Paris verpflichtet.

#klimaschutz-im-bundestag hat auf der Grundlage zahlreicher Studien und dem Wissen von Menschen aus der Praxis umsetzbare Vorschläge zusammengestellt, die in der aktuellen Legislaturperiode zur Erhaltung der Lebensgrundlagen die notwendige Transformation in Gesellschaft und Arbeitswelt einleiten können. Die Bundestagsabgeordneten sind aufgefordert, sich mit den dort gemachten Vorschlägen auseinander zu setzen und sie öffentlich zu bewerten, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild machen kann, wie Sie zu konkreten Klimaschutzmaßnahmen stehen. Wenn sie die konkreten Maßnahmen alle oder teilweise ablehnen, können Sie auf #klimaschutz-im-bundestag alternative Vorschläge in die Diskussion einbringen. Sie können Ihre Bewertung oder Ihre eigenen Vorschläge auch jederzeit wieder ändern. Die Plattform #klimaschutz-im-bundestag bietet darüber hinaus die Möglichkeit, dass Bürgerinnen/Bürger mit den Abgeordneten des 20. Deutschen Bundestages über konkrete Maßnahmen zum Klimaschutz ins Gespräch kommen.

Mehrheit einer möglichen Ampel-Koalition bezieht Stellung

Pressemitteilung 30.9.2021

Mehrheit einer möglichen Ampel-Koalition bezieht Stellung

331 Abgeordnete des neu gewählten Bundestags positionieren sich zu wirksamerem Klimaschutz  

Freiburg/Berlin, 30. September 2021. Die Initiative #waehlbar2021 Bundestagskandidierende auf dem Klimaprüfstand hat Bilanz gezogen. Bis zum Wahlsonntag hatten sich insgesamt 1.119 Direktkandidierende zu wirksamerem Klimaschutz auf der Transparenzplattform positioniert. „Im 20. Deutsche Bundestag werden 331 Abgeordnete einziehen, die sich mit unseren konkreten 19 Maßnahmenvorschlägen für wirksameren Klimaschutz auseinandergesetzt haben“, freute sich Dr. Jörg Lange, geschäftsführender Vorstand des CO2 Abgabe e.V., Träger von wählbar2021. Die Mehrheit der Rückmeldungen der künftigen Parlamentsangehörigen stammt von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, einer möglichen Ampel-Koalition.

Auf wählbar2021.de entfielen von den 1.119 Rückmeldungen insgesamt 277 (92%) auf die Kandidierenden von Bündnis 90/Die Grünen, gefolgt von den Kandidierenden der SPD mit 198 (66%), der Linken mit 186 (63%), der FDP mit 147 (49%) und der CDU/CSU mit 25 (8%). „Sowohl bei der Regierungsbildung als auch in der Legislaturperiode ist es entscheidend, dass wir beim Klimaschutz jetzt ins Handeln kommen“, mahnte Lange. Alle demokratischen Parteien seien sich einig, dass es nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie und damit um Inhalte und damit um Maßnahmen, Maßnahmen,Maßnahmen gehen müsse, so Lange.

Insgesamt schafften von den auf #wählbar2021 positionierten 1.119 Kandidierenden 331 den Sprung in den 20. Deutschen Bundestag. „Um die Erdüberhitzung auf 1,5° Celsius noch beschränken zu können, ist eine grundlegende Auseinandersetzung mit weitreichenden Maßnahmen aller Parlamentsvertretenden notwendig“, sagte Lange. Nur wenn aus der Mitte des Parlamentes regierungsübergreifend Mehrheiten für wirksameren Klimaschutz entstünden, könne die Bevölkerung mitgenommen und Akzeptanz für Veränderungen erreicht werden. Von den 118 in das Parlament eingezogenen Abgeordneten der Grünen haben sich 108 (92%), von den 206 Abgeordneten der SPD haben sich 142 (66%), von denen der FDP 46 von 92 Abgeordneten (50%) und von der Linken 22 Abgeordnete von 39 (65%) sowie von der Union 13 von 196 Abgeordnete (7%) positioniert.

Vergleicht man, welche Koalitionsoptionen sich mehrheitlich zu wirksamerem Klimaschutz positionieren, haben insgesamt 296 Abgeordnete von insgesamt 416 (71%) einer möglichen „Ampel“-Koalition aus SPD, Grünen und FDP Stellung zu wirksamerem Klimaschutz bezogen. Von einer Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP von insgesamt 406 wären es lediglich 167 Abgeordnete (41%). Bei einer Wiederauflage der großen Koalition hätten sogar nur 155 von 406 Abgeordneten Haltung gezeigt. Über alle demokratischen Parteien im 20. Deutschen Bundestag hinweg haben sich knapp 51 Prozent aller Abgeordneten zu konkreten Maßnahmenvorschlägen zum Klimaschutz positioniert*.

*bezogen auf 735 Abgeordnete insgesamt, abzüglich der AfD-Abgeordneten von 83 (= 652)

Weitere Informationen:

  • Übersicht der Position der gewählten Kandidierenden zu den 19 Maßnahmenvorschlägen hier zum Vergleich (alle gewählten Abgeordneten abzüglich AfD hier)
  • Positionen von allen Kandidierenden hier
  • Übersicht der Ergebnisse, wie sich die 331 Bundestagsabgeordneten zu den einzelnen Maßnahmenpaketen positioniert haben hier

Pressekontakt

Ulf Sieberg, Leiter des Berliner Büros des CO2 Abgabe e.V. Tel. 0152 553 70 200, E-Mail Ulf.Sieberg@waehlbar2021.de

1.119 Kandidierende positionierten sich auf #wählbar2021, davon haben 332 den Sprung in den 20. Deutschen Bundestag geschafft.

Bis zum Wahlsonntag am 26. September 2021 hatten sich 1.119 Kandidierende zu den 19 Maßnahmenvorschlägen für wirksameren Klimaschutz positioniert. Davon entfielen 277 oder 92 Prozent aller Wahlkreiskandidierenden auf die Partei Bündnis 90/Die Grünen, gefolgt von der SPD mit 198 oder 66 Prozent aller Wahlkreiskandidierenden, der Linken mit 186 oder 63 Prozent aller Wahlkreiskandidierenden, der FDP mit 147 oder 49 Prozent aller Wahlkreiskreiskandidierenden und der CDU/CSU mit 25 oder acht Prozent aller Wahlkreiskandidierenden.

Insgesamt schafften von den auf #wählbar2021 positionierten 1.119 Kandidierenden 331 den Sprung in den 20. Deutschen Bundestag. Von den 118 in das Parlament eingezogenen Abgeordneten der Grünen haben sich 108 oder 92 Prozent positioniert. Von den 206 ins Parlament eingezogenen Abgeordneten der SPD haben sich 142 positioniert (66 Prozent). Von der FDP sind es 46 von 92 Abgeordneten insgesamt oder 50 Prozent. Von der Linken sind es 22 Abgeordnete oder 65 Prozent und von der Union 13 Abgeordnete oder 7 Prozent. Was diese zu den 19 Maßnahmenvorschlägen gesagt haben, können Sie hier vergleichen (alle gewählten Abgeordneten abzüglich AfD hier). Die Positionen von allen Kandidierenden finden Sie hier.

Insgesamt haben sich damit knapp 51 Prozent aller Abgeordneten im 20. Deutschen Bundestag vertretenen demokratische Parteien auf wählbar2021 positioniert (bezogen auf 735 Abgeordnete abzüglich der AfD-Abgeordneten von 83 = 652). Von einer möglichen Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP hätten sich 296 Abgeordnete von insgesamt 416 oder 71 Prozent positioniert. Von einer Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP von insgesamt 406 wären es lediglich 167 Abgeordnete oder 41 Prozent.

Eine Übersicht zu den Ergebnissen, wie sich die 332 Bundestagsabgeordneten zu den einzelnen Maßnahmenpaketen positioniert haben finden Sie hier.

Endspurt für die Klimawahl

Noch sechs Tage, dann wählen über 60 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger den 20. Deutschen Bundestag. Und es verspricht, spannend zu werden, denn wer am Ende die Nase vorne hat und welche Mehrheiten sich daraus ergeben, ist vollkommen offen. Das gilt im Übrigen auch für die Größe des Bundestages selbst.

Ob am Ende stabile Mehrheiten für wirksameren Klimaschutz stehen hängt vor allem auch daran, wen die Gruppe der über 60 jähirgen wählt. Denn mit 38,2 Prozent stellen diese die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler. Umso dringender bedarf es einer Klimawahl.

Am Freitag, den 24. September rufen daher Fridays for Future wieder weltweit zur Demonstration auf (alle Orte auf der Website). Im Aufruf heißt es: „Wir müssen jetzt handeln, um die Klimakrise und das weltweite Artensterben einzudämmen und das 1,5-Grad-Limit des Pariser Klimaabkommens einhalten zu können. Bisher hat die Große Koalition auf den Protest von Millionen Menschen auf den Straßen nur halbherzig reagiert. Doch mit der Bundestagswahl können wir das ändern: Wenn wir erneut die Straßen füllen, machen wir gemeinsam Klima zum zentralen Thema der Wahl – und stimmen am 26. September für konsequenten Klimaschutz.

Wer unsere Stimme für die Bundestagswahl will, muss die Freiheit zukünftiger Generationen schützen und die Lösung der Klimakrise als riesige Gelegenheit begreifen, unsere Gesellschaft moderner, demokratischer und gerechter aufzustellen – für Millionen gute Jobs und ein besseres Leben für alle.“

Um sich neben den Parteien ein Bild von den Menschen zum machen, hat #waehlbar2021 die Bundestagskandidierenden auf den Klimaprüfstand gestellt. Wählende können sich so in ihrem Wahlkreis selbst ein Bild von den Direktkandidierenden und ihren Positionen zu machen. Anhand von 19 Maßnahmenpaketen haben über 1.000 Direktkandidierende Stellung bezogen. auffällig: Die Kandidatinnen und Kandidaten der Unionsparteien haben sich so gut wie nicht beteiligt. Dennoch führte #wählbar2021 auch zahlreiche Gespräche mit Kandidierenen der CDU, wie Wolfgang Schäuble, Andreas Jung, Philipp Albrecht, Carsten Müller und Thomas Bareiß.

wählbar2021 ON TOUR diskutierte mit Kandidierenden im Wahlkreis Rastatt

Nach einem erfolgreichen Infostand am Marktplatz in Rastatt (tagsüber), fand abends die Podiumsdiskussion mit Rastatter Kandidierenden von #wählbar2021 in Kooperation mit dem Klimabündnis Rastatt, Ravolution Rastatt & den Naturfreunden Rastatt statt.

Zu dem Diskussionabend waren die Direktkandidierenden von Bündnis 90/ Die Grünen, CDU, SPD, der Klimaliste und Volt sowie Rastatter Bürger:innen eingeladen. Die Moderation

Es war ein erfolgreicher kontroverser Abend, bei dem über die 19 Maßnahmenpakete von #wählbar2021 diskutiert wurde, und wie die Kandidat:innen diese persönlich umzusetzen wollen/ werden. Ca. 30 Bürgerinnen waren zugegen und mindestens 20 weitere verfolgten die Veranstaltung live per Stream.

Die Zeitungsartikel des Badischen Tageblattes und der Badischen Neuesten Nachrichten finden Sie hier.